Wirtschaftsgeschichte
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Berlins Geschichte als Bankenstadt, Teil 1: 1710-1914

Das Bankenviertel entwickelte sich mit der wachsenden Reichshauptstadt seit 1871 zwischen den Straßen Unter den Linden, der Wilhelmstraße, der Mohrenstraße und dem westlichen Arm der Spree zwischen Schloßbücke und Spittelmarkt.

In der Behrenstraße ließen sich die Nationalbank für Deutschland, die Bank von S. Bleichröder, die Direktion der Disconto-Gesellschaft und die Commerz- und Disconto-Bank nieder. Die Deutsche Bank belegte drei Gebäude in der Mauerstraße und der Französischen Straße. In der Nähe des Gendarmenmarktes hatten die Berliner Handels-Gesellschaft, die Dresdner Bank, die Bank von J. Mendelssohn & Co. und die Seehandlung ihre Niederlassungen. Neben der Schinkel’schen Bauakademie befand sich die Zentrale der Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) und an der Kurstraße die Reichsbank. Weitere 125 Kreditinstitute saßen in Geschäftsräumen Unter den Linden, in der Jägerstraße, der Französischen Straße und der Behrenstraße (1929). Wie kam es zu dieser Zusammenballung von Finanzkraft?

Noch Mitte des 19.Jahrhunderts stand Berlin hinter Frankfurt am Main an Bedeutung weit zurück. Zwar hatten verschiedene Privatbanken seit der Zeit Friedrich II. ihre Tätigkeit in Berlin aufgenommen, darunter als älteste Gründung die von Splitgerber & Daum von 1712 (seit 1795 Gebr. Schickler), die sich vor allem mit Kriegsmaterialhandel beschäftigten. Aber zu einer überregionalen Bedeutung waren sie nicht gelangt.

Die alte Berliner Börse

Anstöße zur weiteren Entfaltung des Bankwesens gingen von der Gewerbeordnung des Jahres 1810 mit Handels- und Gewerbefreiheit, vom zunehmenden Warenaustausch durch Chaussee- und Eisenbahnbau und von der Gründung neuer Industriezweige aus. Zu deren Finanzierung konnte aber das Bankensystem Preußens wenig beitragen. Es bestand im Wesentlichen aus der 1765 gegründeten Königlichen Giro- und Lehnbank, der 1772 auf königliche Anordnung errichteten Seehandlung, dem 1823 ins Leben gerufenen “Kaufmännischen Kassenverein zu Berlin” und der städtischen Sparkasse. Während letztere die Aufgabe hatte, den sozial schwächeren Schichten eine sichere Geldanlagemöglichkeit zu bieten und das Ziel des Kassenverein in der Erleichterung das bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch Ausgabe von Kassenvereins-Scheinen bestand, beschränkte sich die kgl. Giro- und Lehnbank auf die Funktionen als Staatskasse und Hypothekenbank. Die Seehandlung wollte weniger den aufstrebenden Industriezweigen durch Kredite den Weg ebnen helfen, als vielmehr durch eigene Fabrikation und Vertrieb Vorbild und Beispiel sein. Seit 1845 durfte sie keine neuen Fertigungen mehr aufnehmen, nach 1850 wurde der Warenhandel ganz eingestellt, das in Betrieben festgelegte Kapital zurückgezogen und den Bedürfnissen des preußischen Finanzministeriums untergeordnet.

Um 1850 bestanden rund 140 Banken in Berlin, die bekanntesten darunter neben Schickler und Delbrück, Leo & Co., Gebert & Co., Warschauer & Co., F.M. Magnus, J. Mendelssohn & Co., S. Bleichröder und Gebr. Aron. Die Gründung des Schaafhausen’schen Bankverein als Aktienbank im Jahre 1848 in Köln blieb ohne nachhaltige Wirkung im übrigen Preußen. Bevorzugte Gesellschaftsform bei Bankneugründungen war deshalb die Kommanditgesellschaft auf Aktien (persönlich haftende Gesellschafter) und zwar bei folgenden Firmen: Disconto-Gesellschaft (1856), Berliner Handels-Gesellschaft(1856), Credit-Gesellschaft Berlin (1857), Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parisius & Co. (1864) und die Vereinsbank Quistorp & Co. (1870).

Zwischen Reichsgründung und Beginn des Ersten Weltkrieges 1871-1914

Die sich mit den Gesetzen des Norddeutschen Bundes anbahnende wirtschaftliche Vereinheitlichung unter der Führung Preußens (Freizügigkeitsgesetz (1.11.1867), Gewerbeordnung (21.6.1869), Gesetz über Aktiengesellschaften (11.6.1870)), fanden ihre politische Entsprechung in der Ausrufung des Deutschen Reiches nach dem Sieg über Frankreich und der Wahl Berlins als Reichshauptstadt. Bei der Konzentration von Verwaltung (Reichs-, Landes-, Provinzial- und Stadtbehörden), der wichtigsten Wirtschaftszweige und der Kaufkraft einer stürmisch wachsenden Bevölkerung an einem Ort war der Vorteil für das Bankwesen augenfällig. Die Nähe des Bankviertels zur Reichsverwaltung in der Wilhelmstraße war deshalb kein Zufall.

Die französische Kriegsreparationen förderten einen Wirtschaftsaufschwung, der aber bereits nach. drei Jahren in der “Gründerkrise” endete, in der auch die Quistorpsche Vereinsbank in Berlin zusammenbrach (1873). Es folgten nun fast zwanzig Jahre wirtschaftlicher Stagnation, in denen aber das Bankwesen einen bemerkenswerten Aufschwung nahm. Die Wahrungsordnung des Reiches von 1875 stellte die Einheit auf dem Gebiet des Geld- und Kreditwesens her, indem sie durch die Markwahrung auf Goldbasis den Goldstandard einfuhrt und die bis dahin herrschenden sieben verschiedenen Silbermünzsysteme beseitigte. Aus der Preußischen Bank entstand durch Reichsgesetz (14.3.1875) die Reichsbank, der als Privileg die Banknotenausgabe zustand. Die Seehandlung blieb Staatsbank des Teilstaates Preußen.

Carl Fürstenberg

Von den allein 17 im Jahre 1870 als Aktiengesellschaften gegründeten Banken stammten nur drei aus Berlin: Die Direktion der Disconto-Gesellschaft (30 Mio. Mark Kapital) an erster Stelle, die Berliner Handels-Gesellschaft (17 Mio. M.) an 9. Stelle und die Deutsche Bank (15 Mio. M.) an 14. Stelle. Sie stiegen in den Rang von Großbanken auf, zu denen sich noch durch Verlegung der Geschäftsleitung nach Berlin die Dresdner Bank, die Bank für Handel und Industrie aus Darmstadt, die Commerz- und Disconto-Bank aus Hamburg, der A. Schaafhausen’sche Bankverein aus Köln und die Mitteldeutsche Creditbank aus Meinigen gesellten. Sie stellten die Kredite für Handel und Industrie zur Verfügung, sie bedienten den Bedarf der öffentlichen Hand und des Auslandes. Dieser Zentralisationsprozess war Mitte der 90er Jahre beendet.

Ab Anfang des neuen Jahrhunderts begannen die Berliner Banken ihren Einflussbereich auf die Provinzbanken durch verschiedenartige Formen der Beteiligungen auszudehnen. Dieser Expansionsprozess, der durch Fusionen wie der von 1914 zwischen Deutscher Bank und Bergisch/Märkischer Bank sowie Disconto-Gesellschaft mit dem Schaafhausen’schen Bank, gekennzeichnet war, weitete sich zu einem Wettlauf aus. 1922 schlossen sich die Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) und die Nationalbank für Deutschland zur Darmstädter und Nationalbank (Danat) zusammen, womit sich die Zahl der Berliner Großbanken auf sechs verringerte. Der Expansionsprozess kam zum Abschluss durch die Fusion von Deutscher Bank mit der Disconto-Gesellschaft im Jahre 1929.

Zu den Aufgabenfeldern der Großbanken gehörten die Bereitstellung von Kapital zur Gründung von Unternehmen, später die Vermittlung von Krediten für diesen Zweck, die Unterbringung von Anleihen der öffentlichen Hand durch die Bildung von Konsortien, die Unterstützung des deutschen Außenhandels durch Gründung von Tochtergesellschaften, Filialen oder Beteiligungen an bestehenden Banken und schließlich ausländische Anleihegeschäfte. Sie konkurrierten auf diesem Feld mit London und Paris. Mit Projekten wie dem des Baues einer Eisenbahnlinie nach Bagdad gerieten sie auf das Feld der internationalen Politik und mussten sich seitdem den Vorwurf gefallen lassen, Handlanger der deutschen imperialen Politik zu sein. Andererseits wurden auf Veranlassung Bismarcks durch die Reichsbank Beleihungen russischer Wertpapiere nach der Verschlechterung der Beziehungen zu Russland untersagt.

An gesetzlichen Regelungen ergingen 1896 der Erlass eines Börsengesetzes, 1897 einer Grundbuchordnung und eines Zwangsversteigerungsgesetzes, 1899 die Veröffentlichung des Hypothekenbankgesetzes als Grundlage des Realkreditwesen und die Inkraftsetzung des Handelsgesetzbuches (HGB) zusammen mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) im Jahre 1900. Das BGB setzte die bis dahin gültigen territorialen Gesetzbücher des Preußischen Allgemeinen Landrechts (1794), des napoleonischen Code Civil in den Rheinprovinzen und das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (1863) außer Kraft. Im Jahre 1908 wurde ein Scheckgesetz erlassen. Banknoten der Reichsbank galten ab 1909 als gesetzliches Zahlungsmittel. Die Bevölkerung betrachtete sie weiterhin nur als Geldersatz.

Ausschnitt aus dem Sitzungssaal während des Bankiertages in der Krolloper 1925. 1. Reihe v.l. Oskar Wassermann (Deutsche Bank), Dr. Adolf Maier (Oberpräsident von Brandenburg), Abraham Frowein (Reichsverband der deutschen Industrie), Otto von Schlieben (Reichsfinanzminister). 2. Reihe Franz Urbig (Disconto-Gesellschaft, links), Ferdinand Friedensburg (Polizeipräsident, r.) Bild: Berliner Illustrirte.

Die Repräsentanten der Berliner Banken spielten im gesellschaftlichen Leben der Hauptstadt eine maßgebende Rolle. Ihre Villen im nahegelegenen Viertel zwischen Landwehrkanal und Tiergarten, von namhaften Architekten entworfen, waren Treffpunkt der besseren Kreise. Nach der Jahrhundertwende lagen die Wohnorte der Bankiers in Grunewald und Zehlendorf. Von dort fuhr der Bankiers-Zug ohne Zwischenstopp in 20 Minuten zum Bahnhof Friedrichstraße. Unter den herausragenden Persönlichkeiten sind die Namen von Georg Siemens (geadelt 1899), Hermann Wallich, Max Steinthal, Arthur Gwinner, Karl Helfferich und Oskar Wassermann untrennbar mit der Deutschen Bank verbunden. Für die Direktion der Disconto-Gesellschaft steht stellvertretend für viele andere der Name des Gründers David Hansemann, während als die herausragende Persönlichkeit der Berliner Handels-Gesellschaft Carl Fürstenberg und Jacob Riesser zu nennen waren. In der Berliner Handels-Gesellschaft hat auch. Walther Rathenau als Vorsitzender des Verwaltungsrates amtiert.

Unter den Privatbankiers tritt besonders Gerson Bleichröder hervor, der als ” Bankier Bismarcks” bei der Finanzierung der Kriegsvorbereitungen gegen Frankreich wie auch bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen in Preußen mitwirkte. Johannes Miquel, eher bekannt durch die nach ihm benannte Steuerreform, bei der die progressive Einkommenssteuer die Klassensteuer ersetzte (24.6.1891), hatte in seiner vierjährigen Amtszeit im Vorstand der Disconto-Gesellschaft die Ausgabe einer preußischen Prämienanleihe, die Gründung der Preußischen Central-Bodenkredit AG, die Gründung der Provinzial-Disconto-Gesellschaft sowie auf dem Eisenbahnsektor die Planungen für die Berliner Stadtbahn und den. Bau. der Gotthard-Bahn. sowie die Eigentumsklärung an. den rumänischen Eisenbahnen nach dem Konkurs des “Eisenbahnkönigs” Strousberg befördert.

Zwischen 1892 und 1903 verringerte sich die Anzahl der Privatbanken in Berlin von 538 auf 242, teils als Wirkung des Börsengesetzes von 1896, teils als Folge der Expansion der Großbanken. Bei den Hypothekenbanken kam es nicht zu der Konzentration in Berlin wie auf anderen Sektoren des Bankwesens. Von insgesamt 40 in Deutschland registrierten Instituten hatten nur sieben ihren Sitz in Berlin. Das zu beleihende Grundstück schien die räumliche Nahe des Darlehensgebers zu erfordern. Ähnlich verlief die Entwicklung bei der 1873 gegründeten zentralen preußischen Pfandbriefemissionsanstalt, der Central-Landschaft. Die meisten Landschaften wollten auf die eigene Ausgabe von Pfandbriefen nicht verzichten.

 

Teil 2: Vom Ersten Weltkrieg bis zum Mauerfall

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