Archivgut
Schreibe einen Kommentar

Auf ins Grüne – Archivberatung im Umland

Der Mohn klatscht, die Kornblumen rascheln und man wird fast von einer Biene umgeflogen – willkommen auf Schloss und Gut Liebenberg. Die erste Station am heutigen Tage, das ist wörtlich zu nehmen. Theoretisch hätten wir auch mit der U-Bahn fahren können. Mitten auf der Wiese steht ein markanter U-Bahn-Eingang – es handelt sich jedoch um eine Kunstinstallation. Und tatsächlich liegt Liebenberg eher dezentral auf halber Strecke zwischen Löwenberg und Liebenwalde und ca. 60 Kilometer nördlich von Berlin.

Welche U-Bahnlinie fährt hier? (Foto: TEZ/BBWA)

Welche U-Bahnlinie fährt hier? (Foto: TEZ/BBWA)

Obwohl böse Zungen behaupten, man könne von hier aus das Ende der Welt schon mit bloßem Auge gut erkennen, war Liebenberg früher einmal Dreh- und Angelpunkt für einige historische Begebenheiten und allerlei Politisches. Deswegen bin ich mit Herrn Berghausen und Frau Estler-Ziegler heute hier zur Archivberatung. Früher war nämlich unter anderem Kaiser Wilhelm II. auf Einladung von Philipp Fürst zu Eulenburg zu Besuch. Und nicht nur einmal, sondern öfter und hat hier mit großer Begeisterung gejagt und die Beine baumeln lassen. Außerdem traf sich in Liebenberg die sogenannte „Liebenberger Tafelrunde“, ein Klüngel einflussreicher Männer, denen so manch amouröse Verwicklung nachgesagt wurde. Erst mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte diese Sache unter den Teppich gekehrt werden.

Schloss & Gut Liebenberg (Foto: BB/BBWA)

Schloss & Gut Liebenberg (Foto: BB/BBWA)

Das ehemalige Archiv-Gebäude (es gab tatsächlich eines, das vollgestopft war mit Unterlagen über die Familie Eulenburg) wurde in den letzten Kriegstagen angesteckt, um erfolglos den Mord an einer Familie zu vertuschen. Später wurde der SED das idyllische Gelände gleich von der SMAD für ihre Zwecke übertragen: Es entstand eine Parteihochschule und ein Erholungsheim für erschöpfte Funktionäre. Hier begutachteten wir wirtschaftliche Unterlagen, die aber nicht so sorgfältig behandelt wurden wie die Funktionäre.

Mit Handschuh und Maske am Bestand (Foto: BB/BBWA)

Mit Handschuh und Maske am Bestand (Foto: BB/BBWA)

Wie es bei Schlössern so ist, gibt es immer irgendwo feuchte und dunkle Ecken und ausgerechnet dort wurden die Dokumente aufbewahrt. Neben Lohnunterlagen, Budgets und Rechnungen für die Reparatur eines Mähdrescherschneidwerks verbergen sich wohl auch noch alte Geschäftspläne und Sitzungsprotokolle der Direktion. Diese wären natürlich interessant, aber müssten erst einmal gesäubert werden. Fünf Paletten mit insgesamt 100 Umzugskartons und harren daher der Dinge, die da kommen.

Der zweite Termin des Tages führt uns zum Ziegeleipark Mildenberg. Für Frau Estler-Ziegler ist es fast schon ein zweites Zuhause. Ich selbst war als Kind einmal hier und könnte schwören, dass die Öfen früher größer waren, aber damals war ich auch nur halb so groß. Ich betätige mich als Beschwererin und Aufrollerin, während wir uns durch ungefähr 80 Plansignaturen arbeiten, die für das kommende Restaurierungsprojekt, das insgesamt 400 Pläne plan legt und digitalisiert, noch auszuwählen sind. Es sind ganz verschiedene Themen und Motive, die zum Vorschein kommen. Ohhs und Ahhs hallen durch die ehemalige Zieglerkaserne, als zwischen den technischen Zeichnungen und Grundrissen, bildschöne Skizzen eines Kessel- und Maschinenhauses auftauchen mit Schraffur, Perspektive und Bäumchen am Rand. Oben rechts mit einem Stempel versehen, der das Projekt als Teil des nächsten 5-Jahres-Planes ausweist. Ob er tatsächlich umgesetzt wurde, ist in diesem Moment allerdings egal, es ist einfach nur schön anzusehen.

Studie eines Kessel- und Maschinenhauses (BBWA/Ziegeleipark)

Studie eines Kessel- und Maschinenhauses (BBWA/Ziegeleipark)

Unser Termin hängt mit dem Vorgängerprojekt zusammen, bei dem wir das Archiv der verschiedenen Ziegeleiunternehmungen in Zehdenick bzw. Mildenberg aufgebaut haben. Diese Branche ist für die Region extrem wichtig gewesen, ihr Produkt – der Ziegel – für den Aufbau Berlins in seiner rasanten Wachstumsphase. Rund um den Ziegel ist der sehenswerte Ziegeleipark Mildenberg aufgebaut, ein Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH) und eine Station der Deutschen Tonstraße. Bald soll auch das virtuelle Angebot des Museumsparks ausgebaut werden – mit wesentlichen Bausteinen aus dem historischen Archiv und historischen Fotobeständen.

Text: Carolin Ehrenfeld

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert