Wirtschaftsgeschichte
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Neuköllner Gemüseparadies

Wer heute durch die belebte Richardstraße in Neukölln läuft, mag kaum glauben, dass dort noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einer Fläche von zwölfeinhalb Fußballfeldern Blumen und Gemüse angebaut wurden.

Im Jahr 1876 gründete Daniel Benjamin Niemetz seine Kunst- und Handels-Gärtnerei in der Richardstraße 116 und 117 im damaligen Rixdorf, die aufgrund ihres enormen wirtschaftlichen Erfolgs rasch expandierte und sich flächenmäßig stark ausdehnte. In der Hauptsaison im Sommer bot er bis zu 35 Menschen Arbeit.

Die Kunst- und Handels-Gärtnerei Daniel Benjamin Niemetz um 1900

Die Kunst- und Handels-Gärtnerei Daniel Benjamin Niemetz um 1900

Im Bereich der Blumenzucht beschäftigte sich die Gärtnerei mit der Zucht von Topfpflanzen in zehn Gewächshäusern, die mit sechs firmeneigenen Pferden an die Berliner Blumenhändler geliefert wurden, im Winter sogar mit Petroleum-beheizten Wagen. Gelegentlich lieferte Niemetz auch in andere deutsche Städte und sogar ins europäische Ausland.

Auch die Ausmaße des Gemüseanbaus überraschen. Um 1900 verließen jährlich etwa 420.000 Stück Kohlrabi, 240.000 bis 300.000 Stück Salat, 60.000 Stück Blumenkohl und 120.000 Stück Wirsingkohl die Gärtnerei, um auf den Berliner Wochenmärkten an die Kundschaft verkauft zu werden. Vielleicht würde das Restaurant Paulinski Palme, das heute in der Richardstraße zu Tisch lädt, sein Gemüse hier frisch vom Beet schneiden lassen?

Heutzutage jedoch erinnert nur noch die nach Daniel Benjamin Niemetz benannte Niemetzstraße an diese Gärtnerei, während seine Felder und Beete selbst mit Wohnhäusern bebaut ist. Neukölln ist eben längst kein Dorf mehr.

(erschienen in “Neukölln kompakt 2018” und als Bezirkswirtschaftsgeschichte)

Text: C. Rump

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