Wirtschaftsgeschichte
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Handel und Gewerbe im Lützow-Viertel (2): Druckerei Hänel

Unter der Rubrik “Handel und Gewerbe im Lützow-Viertel” stellt Prof. Dr. Paul Enck heute die Druckerei Hänel vor. Die Langversion der Geschichten können Sie im Kiez-Blog mittendran – Nachrichten für Tiergarten-Süd lesen.

Der erste Gewerbebetrieb, der in das heutige Lützow-Viertel zog, als hier entlang der Potsdamer Chaussee nur wenige Häuser standen, wenn man mal absieht von der Kolonie “Am Carlsbad”, dem Zollhaus an der Ecke Potsdamer- und Lützowstrasse, dem Elisabeth-Krankenhaus und ein paar Sommerhäuser von stadtmüden Berlinern, war die königliche Buchdruckerei des Eduard Gustav Hänel aus Magdeburg.

Von Magdeburg nach Berlin

Eduard Hänel wurde am 2. April 1804 in Magdeburg geboren. Seine Eltern waren Christian Jacob Hänel (1751-1824) und Sophie Eleonore, geb. Knöveldt (1771-1859). Sein Vater war königlicher Buchdrucker in Magdeburg, und er hatte einen sehr guten Ruf unter den Intellektuellen seiner Zeit, die einen Verleger und Buchdrucker suchten. Eduard und sein drei Jahre jüngere Bruder Albert Hänel lernten das Druckgewerbe im väterlichen Betrieb, aber Eduard ging unmittelbar nach der Lehrzeit nach London, um neue Drucktechniken, insbesondere Typografie zu studieren, arbeitete sodann in Paris bei Didot als Schriftgießer (1), und übernahm bereits mit 21 Jahren 1825 den Betrieb seines Vaters, der im Jahr zuvor verstorben war. Er heiratete am 27. April 1828 in Magdeburg die dort 1805 geborene Pauline Elfriede Küsel; mit ihr zeugte er zwischen 1829 und 1840 sechs Kinder.

Die Revolutionierung des Buch- und Zeitungsdrucks

Zunächst hatte Hänel geplant, eine zusätzliche Druckerei in Berlin einzurichten, die sich auf Staatsaufträge (Kassenscheine u.a.m.) spezialisiert, aber nachdem die väterliche Druckerei in Magdeburg 1839 abgebrannt war, konzentrierte sich Bruder Albert auf den Wiederaufbau des Betriebs in Magdeburg, während Eduard in Berlin die Buchdruckkunst revolutionierte.

Einerseits durch Überführung der traditionellen Schriftsetzerei in maschinelles Drucken, eingeführt aus Amerika, von Hänel für Preußen patentiert: Wurden bis dahin Buchstaben in Blei und später in Zinn gegossen, so wurde nun der Gießlöffel durch eine Pumpe ersetzt, die “das Metall in das von der Hand vorgehaltene Instrument spritzt; statt des Schöpfens und Gießens genügt für jede Type ein Druck auf den Hebel der Pumpe, wodurch die Leistung des Gießers auf fast das Doppelte gesteigert wird. Aus der Gießpumpe entwickelt sich die Gießmaschine. Die ersten, aber noch nicht völlig gelungenen Versuche gehen bis 1828 zurück. In England erfunden, kam sie zuerst in Amerika zur Vollendung, und zwar durch den Dänen Lauritz Brandt, der sie bei Bruce in New York verbesserte und von 1845 ab auch in Deutschland, bei Hanel in Berlin und Brockhaus in Leipzig, baute” (2). Hänels Druckerei in Berlin war damit beteiligt an der Weiterentwicklung des Druck-Handwerks zu einer Art “Druckfabrikation”.

Beispiele aus über 2000 Druck- und Schrifttypen (3)

Andererseits durch seine kunstvollen Typografien und Politypen. “Die HÄNELSchen Schriftproben, Polytypen und Kunstdrucke schufen in Deutschland eine neue Schule des Geschmacks” (4). Aber Hänel druckte nicht nur schöne Bücher, er vermarktete auch ein Wissen: In Rundschreiben über die “Gründung einer Buch- Congreve- und Kunst-Druckerei, Kupfer- und Steindruckerei, Schriftgießerei, Stereotypie, Gravier-Anstalt und Druckfarbenfabrik” (5) (Ausschnitt, siehe Abbildung oben), in Katalogen seiner Schrifttypen, in Korrespondenz mit Autoren und anderen Verlegern und in Anzeigen an die Zeitgenossen durch seinen aufwendig gestalteten Briefkopf.

Auf der Weltausstellung 1861 in London präsentierte sich Eduard Hänel eindrucksvoll mit seinem gesamten Repertoire der Buchdruckkunst.

Die Hänel-Familie in Berlin

Eduard Hänel muss, als er 1837 nach Berlin kam, bereits über ein ansehnliches Vermögen verfügt haben, hat er doch innerhalb kürzester Zeit ein beachtlich großes Grundstück an der Potsdamer Chaussee von Schöneberger Büdnern erworben und bebaut. Das Grundstück, auf dem er die Druckerei und seine Villa bauen ließ (Bild 3), beides durch Eduard Knoblauch (1801-1865), der als “Architekt des Bürgertums” galt (6), reichte von der Potsdamer Chaussee bis fast an die (heutige) Flottwellstraße. Man kann seine Größe daran ermessen, dass die Potsdamer Straßenfront, die allein für die Villa Hänels vorgesehen war, nur 30 Jahre später für vier Mietshäuser mit den Nummern 118, 118a, 118b und 118c reichte (oder heute: die Hausnummern 63 bis 65). Hänel verkaufte seine Druckerei 1852, vier Jahre vor seinem frühen Tod mit nur 52 Jahren (1856), und sein früherer Mitarbeiter Wilhelm Gronau führte sie bis 1895 am gleichen Platz und mit gleichem Erfolg weiter. Im Jahr 1895 aber zog die Druckerei nach Schöneberg (Belziger Straße 61), Grund und Boden im Potsdamer Viertel waren zu wertvoll geworden für einen Gewerbebetrieb, hier war jetzt Wohnraum gefragt.

Villa Hänel in der Potsdamer Straße 118, gebaut im Jahr 1839/40 (Quelle: Berlin und seine Bauten 1877, Teil 2, Seite 420, Bild 310 und 311).

Es werde Licht!

Ab 1826 war in Berlin nach und nach die Straßenbeleuchtung mittels Gaslaternen eingeführt worden, allerdings noch nicht gleich in den Vorstädten aus vielerlei Gründen (7). Im Zuge einer Auseinandersetzung der Gemeinde Schöneberg mit dem Polizeipräsidenten von Berlin über die Anlage von mit Gas betriebenen Straßenlaternen in der Schöneberger Gemeinde schrieb der gerade in Rente gegangene Eduard Hänel, der seine Druckerei 1852 verkauft hatte, am 10. Februar 1853 an den Polizeipräsidenten von Hinckeldey (1805-1856, Polizeipräsident von 1848-1856) einen bemerkenswerten Brief, den wir in einer Akte im Landesarchiv Berlin fanden.

Ohne die im Amtsverkehr mit der Obrigkeit immer noch üblichen Ehrerbietigkeitsfloskeln schrieb Hänel am 10. Februar 1853, er mache sich anheischig, die ganze Schöneberger Vorstadt “… mit Gas zu beleuchten …, beginnt am Schöneberger Ufer bey der von der Heydt-Brücke, den Canal entlang bey der Potsdamer Brücke vorbey, bis zur Schöneberger Straße … [beidseits] Dann die Potsdamer Straße von der Brücke ab, bis zum Botanischen Garten, nebst den Seitenstraßen: Carlsbad und Lützower Weg-Straße, sowie das große Fabrik Etablissement zu beyden Seiten der Chaussee. Eventuell würde ich aber die Anlage auch gern noch weiter und auf die ganze zu Berlin gehörige Vorstadt jenseits des Schiffahrt Canals bis zur Stadtmauer hier ausdehnen, sodaß d. Potsdamer und Link Straße des Potsdamer und Anhalter Bahnhof sowie das ganzen Straßen – Complays zwischen diesen beyden Eisenbahnen, der Stadtmauer und dem Schiffahrt-Canal mit aufgenommen würde, insofern dies nicht den bereits ertheilten Concessionen entgegen stehe … ” allerdings wünsche er eine Andeutung dessen, “auf welche Reihe von Jahren ich auf eine ausschließliche Consession zur Anlage einer Gas Anstalt in den Theilen des genannten Reviers, in welchem bisher keine derartige Beleuchtung bestand, ich etwa hoffen dürfte” (8).

Die wohlwollende, aber zurückhaltende Antwort des Polizeipräsidenten vom 19. Februar 1853 ist hier von keinem weiteren Interesse, Schöneberg schloss im Mai 1854 einen Vertrag mit der englischen Imperial Continental Gas Association und erhielt70 Gaslaternen und die Gasversorgung zunächst aus der Gasanstalt am Halleschen Tor, bevor 1871 in Schöneberg eine eigene Gasanstalt gebaut wurde, da wo heute der alte Gasometer auf dem EURAK Campus ist.

Text: Prof. Dr. Paul Enck

Literatur:

  1. Eduard Hänel. In: Wikipedia-Die freie Enzyklopädie.
  2. Friedrich Bauer, Chronik der Schriftgießereien in Deutschland und in den deutschsprachigen Nachbarländern. Offenbach 1928, S.7 (Neuauflage 2011 im Internet unter: http://www.klingspor-museum.de/KlingsporKuenstler/ChronikSchriftgiessereien/ChronikderSchriftgiesserei.pdf
  3. Neue Polytypen aus der Graviranstalt, Schriftgiesserei und Stereotypie von Eduard Haenel in Berlin 1847. Im Internet frei zugänglich unter: https://archive.org/details/bub_gb_SUU-AAAAcAAJ/page/n309/mode/2up.
  4. Karl Faulmann: Illustrirte Geschichte der Buchdruckerkunst – mit besonderer Berücksichtigung ihrer technischen Entwicklung bis zur Gegenwart. Vienna/Pest/ Leipzig: Hartleben 1882, S. 568.
  5. Rundschreiben der Druckerei Hänel an die Geschäftspartner vom Februar 1842. Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Archiv-Nummer Bö-GR/B/2024.
  6. Azra Charbonnier: Carl Heinrich Eduard Knoblauch 1801 – 1865. Architekt des Bürgertums. Deutscher Kunstverlag München-Berlin 2007.
  7. Herbert Liman. Mehr Licht. Geschichte der Berliner Straßenbeleuchtung. Verlag Haude und Spener Berlin 2000.
  8. Akte im Landesarchiv Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 19042.

Abbildungen

Bild 1: Beispiele aus über 2000 Druck- und Schrifttypen; Quelle: (3).

Bild 2: Ausschnitt aus einem Rundschreiben der Druckerei Hänel an die Geschäftspartner vom Februar 1842 mit den Druckereigebäuden; Quelle: (5).

Bild 3: Villa Hänel in der Potsdamer Straße 118, gebaut im Jahr 1839/40; Quelle: Berlin und seine Bauten 1877, Teil 2, Seite 420, Bild 310 und 311.

 

 

 

 

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