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Neues von der Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung Richard Lebram

Die besonderen Momente im Archivleben sind die Tage, an denen das Telefon klingelt und jemand am Apparat ist, der etwas im Regal, im Keller oder auf dem Dachboden gefunden hat und es gerne verschenken möchte.

So letztens geschehen, als ein älterer Herr mich anrief und mir seine Erlebnisse mit seinem Uhrmacher schilderte. Diesem hatte er bei einem Besuch im Ladengeschäft zwei Kataloge schenken wollen, die dieser aber „als viel zu wertvoll“ nicht haben wollte. Er fragte mich, ob mir die Firma Lebram was sagen würde und ja, die sagte mir etwas.

Sie liebe Leser unseres Archivspiegels können sich vielleicht noch an den Beitrag über die Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung Richard Lebram erinnern, den wir 2017 veröffentlicht haben. Damals haben wir uns gewundert, dass das jüdische Unternehmen unbeschadet das Dritte Reich überstanden hat. Inzwischen wissen wir warum, aber dazu später.

Der ältere Herr schickte uns die zwei Kataloge von 1910/1911 und von 1912/1913, die jetzt unseren Bestand U6/09 bereichern.

Katalog von 1912/1913 (BBWA U6/09/18)

„Wie bereits im Vorwort zu meinem Hauptkatalog 1912/1913 in Aussicht gestellt, erlaube ich mir, Ihnen heute mein neues Geschäftshaus im Bilde vorzuführen, und hoffe, dass die Abbildungen, die nur einen kleinen Begriff meines Betriebes wiedergeben, Ihren Beifall finden.“

Während der Katalog von 1910/1911 ein reiner Produktkatalog ist, entführt uns der zweite Katalog in das neue Gebäude der Firma Lebram in der Wallstraße 15/15a/Ecke Neue Grünstraße 24.

 

Neben den Abbildungen des Eckhauses und der Portalfiguren finden sich auch eine Zeichnung des Innenhofes und verschiedene Einblicke u. a. in das Lager, die Ausstellungs-räume (Verkaufsräume), die sogenannte Korrespondenz, die Buchhaltung, den Privat-Kontor (Büro des Chefs) und den Speiseraum für das Personal. Eine bessere Dokumentation über eine Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung im beginnenden 20. Jahrhundert kann man sich nicht wünschen.

Kommen wir nochmal zurück zur Geschichte des Unternehmens. Wegen unserer Veröffentlichung 2017 ist die Familie Lebram auf uns aufmerksam geworden und hat uns die noch offenen Fragen beantwortet.

Das 1893 gegründete Unternehmen war von Anfang an sehr erfolgreich, so dass es 1897 und 1900 in jeweils größere Ladengeschäfte in der Neuen Grünstraße umziehen musste und schließlich 1911 das oben beschriebene Geschäftshaus fertigstellte und dort einzogen. Um diese Zeit gab es auch schon die Filialen in Pforzheim, in der Leopoldstraße 14 und in Schwäbisch Gmünd am Kirchplatz. Der Katalog von 1912/1913 ist zudem deutsch, französisch, englisch und spanisch geschrieben, was auch sehr viel über die Kundschaft von Richard Lebram sagt.

1897 heirateten Richard Lebram und Nanny Heymann (1871-1941). Die Ehe blieb tatsächlich kinderlos. Das Ehepaar adoptierte aber im Januar 1919 den 1910 in Berlin geborenen Jürgen Felix Walter Glaser und dessen Schwester. Die Kinder erhielten den Namen Lebram.

Das erklärt, warum Jürgen Lebram, der 1935 als Geschäftsführer in das Unternehmen seines Vaters eintrat, die Firma im Dritten Reich weiterführen konnte. Er musste nur nachweisen, wer seine leiblichen Eltern waren.

Der Gründer Richard Lebram starb am 16. September 1938 und wurde auf dem Waldfriedhof in Berlin-Grunewald beerdigt.

Aus einem Schreiben von Juni 1944 geht hervor, dass das Unternehmen aufgrund eines „Schicksalschlages“ ein neues Ladengeschäft in der Wallstraße 16 eröffnet werden musste.

Nach dem Krieg musste Jürgen Lebram zunächst beweisen, dass er das Unternehmen seines Adoptivvaters nicht „arisiert“ hatte. 1950 ließ er als alleiniger Geschäftsführer den Umzug der Firma nach Pforzheim in das Berliner Handelsregister eintragen. Mitinhaber in Pforzheim wurde Werner Daub. Das Unternehmen firmierte in Pforzheim als Lebram & Co. Uhren Gold-Silberwaren Großhandlung und trug im Briefkopf ein Logo mit dem Akronym RiLe. 1974 starb Werner Daub und der Gesundheitszustand von Jürgen Lebram war so schlecht, dass das Unternehmen im Dezember des Jahres nach über 80 Jahren seines Bestehens die Tore schließen musste.

Schön ist, dass es inzwischen in Berlin zwei Archive mit Dokumenten zur Geschichte der Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung Richard Lebram gibt. Die Familie Lebram hat ihre Unterlagen an das Jüdische Museum abgegeben. Im dortigen Bestand finden sich Familienkorrespondenz von 1928-1960, Fotos der Familienmitglieder und von Gebäuden sowie genealogische Dokumente (u. a. ein Familien-Stammbuch). Den Bestand des BBWA finden Sie hier.

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