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Unternehmergräber in Berlin

In Berlin gibt es etwas mehr als 200 Friedhöfe. Zahlreiche dieser Begräbnisplätze bieten eine Fülle imposanter Grabanlagen und beeindruckender Mausoleen. Die Gräberfelder sind nicht allein Stätten der Trauer und des Gedenkens. Sie sind auch touristische Attraktionen. Ungezählte BesucherInnen begeistern sich Jahr für Jahr für die ästhetisch ansprechenden Monumente, für die Schönheit und die reichhaltige Ausstattung der Grabstätten. Sie wollen in Führungen und Seminaren mehr erfahren über Friedhofsgeschichte, Bestattungsrituale und – natürlich – auch über die Verstorbenen. Viele Grabmale sind seit langem Gegenstand intensiver kunsthistorischer Forschungen und denkmalpflegerischer Betreuung. Zu den Bestatteten gehören auch etliche Unternehmer und Unternehmerfamilien.

Die Historikerin Dr. Ute Pothmann konzipiert derzeit gemeinsam mit dem BBWA eine Studie, die speziell die Unternehmergräber in den Blick nimmt, und zwar aus sozial- und mentalitätsgeschichtlicher Perspektive. Sie fragt nach dem Zusammenhang von Leben und Tod der Unternehmer, nach der Spiegelung ihres Lebens in ihren Grabstätten: Wo wollen sie begraben werden? Welche Monumente sollen an sie erinnern? Beauftragten die Unternehmer selbst die Errichtung des Grabmales oder tat es ihre Familie? Welche Künstler haben sie ausgewählt? Bevorzugten Bankiers eine andere Art der Grablege als Industrielle? Wählte ein sozialer Aufsteiger eine andere Grabmalausstattung als ein ins Großbürgertum hineingeborener Unternehmer? Und in welcher Weise spielte der künstlerische Stil der jeweiligen Zeit eine Rolle für die Ausstattung des Grabes?

Grundlage der Untersuchung ist ein weiter Unternehmerbegriff, der auch bedeutende (angestellte) Manager sowie Gewerbetreibende und Freiberufler beinhaltet. Hierbei werden nicht allein die Männer betrachtet, sondern im Sinne sozialer Bezüge auch die Ehefrau, die Familienangehörigen und das freundschaftliche und gesellschaftliche Umfeld, neudeutsch: Netzwerk. Ebenso wird nach Grabmalen von Unternehmerinnen gesucht. Der Zeithorizont der Untersuchung umfasst vorangig das 19. und frühe 20. Jahrhundert. Zum Vergleich in der Längsschnittperspektive werden auch einzelne jüngere Grabmale von Unternehmern und Unternehmerinnen betrachtet. Überdies werden Grablegen in Brandenburg in die Untersuchung einbezogen.

In den Jahren 2015 und 2016 erhob ein Mitglied des BBWA in einem einzigartigen ehrenamtlichen Engagement biografische und grabstättenbezogene Daten für etwa 2.500 Unternehmer. Für zahlreiche Unternehmer liegen bereits Kurzbiografien der Bestatteten und Fotos der Grabmale vor.

Familiengrabstätte Schuchhardt (Foto: A. Seume/BBWA)

Frau Pothmann recherchiert jetzt Literatur und Quellenmaterial, um die vorgenannten  Fragen beantworten zu können. Hierzu gehören Lebenserinnerungen und Biografien der Verstorbenen, Nachrufe oder andere zeitgenössische Berichte anlässlich der Beerdigung sowie Material, dass sich in öffentlichen Archiven, in Archiven der Familien der Verstorbenen oder in Archiven von Architekten und Bildhauern, die das Grabmal entworfen haben, befinden könnte. Sie zieht für ihren „Testlauf“ etwa 60 Unternehmergräber heran, die sie von der Website der Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg ausgewählt hat (wo-sie-ruhen.de). Die Website enthält für Berlin zehn Friedhöfe und präsentiert insgesamt 290 Persönlichkeiten. Die hier von Kennern der Berliner Friedhöfe  (Jörg Kuhn, Klaus-Henning von Krosigk, Fiona Laudamus) verfassten Kurztexte enthalten Angaben zu Herkunft, Privatleben und unternehmerischen Tätigkeiten sowie sozialem Engagement, gesellschaftlicher Einbindung oder politischen Aktivitäten der Bestatteten. Zudem werden die Grabmale detailliert beschrieben und kunsthistorisch analysiert. In einigen Fällen sind auch die Umstände der Grablegen sowie die ausführenden Architekten, Bildhauer und Handwerker angegeben.

Die Recherche soll eine Schätzung des Zeitaufwandes ermöglichen, anhand dessen sich der Umfang der in die Studie einzubeziehenden Grabstätten bestimmen lässt.

Text: Dr. Ute Pothmann

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