Wirtschaftsgeschichte
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Renovierungs- und Bauarbeiten vor dem Wirtschaftsarchiv

Werksgelände am Eichborndamm

Vor mehr als hundert Jahren, 1907 bis 1917, wurden am Eichborndamm die neogotischen Werksgebäude der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) aus roten Ziegeln errichtet, damals noch unter der Adresse Charlottenburger Straße 15-27. Denn erst 1938 erhielt die Straße den Namen des Berliner Bankiers Ludwig Eichborn (1819-1903). Die DWM errichteten zunächst auf dem südlichen Teil des späteren Werkskomplexes, um hier auf großzügigem Gelände die Kugellagerfabrik zu errichten, der es auf dem alten Standort in Martinikenfelde zu eng geworden war.

Das Werksgelände der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken am Eichborndamm

Diesen Teil des Geländes erkennt man an dem markanten Eckturm, der dem S-Bahnhof Eichborndamm am nächsten ist. Heute nutzt das Landesarchiv Berlin einen Teil dieses Komplexes, dessen Bauabschnitt mit dem Casino endete, das noch heute wie ein klösterliches Refektorium anmutet.

Unter dem Pflaster ... Schienen der Werksbahn der Dürener Metallwerke (Foto: BBWA)

Unter dem Pflaster … Schienen der Werksbahn der Dürener Metallwerke (Foto: BBWA)

Den zweiten Bauabschnitt im Norden bildete im Frühjahr 1914 die Gebäude zur Fabrikation von Gewehrläufen und Gewehrvisieren für die Infanterie sowie Parabellum-Pistolen. Bis Kriegsende wurden weitere Hallen und Gebäude zur Waffenfertigung errichtet – Härterei, Schmiede und Werkstätten sowie ein Schießstand. Das heutige Haus 42 diente als Schaftfabrik und Schaftholzlager. Hier ist das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv seit 2009 auf schwerlastfähiger „preußischer Kappendecke“ untergebracht.

Nach dem Krieg wurde die Fertigung auf weniger bellizistische Produkte umgestellt, neben Kugellagern kamen auch Schreibmaschinen vom Eichborndamm. Aus den DWM wurden 1922 die Berlin-Karlsruher Industriewerke, doch war das Werk keineswegs ausgelastet. Viele ungenutzte Fabrikhallen wurden vermietet, so 1927-1931 die nördlichen Hallen an General Motors. 1930 wurde die Kugellagerfertigung eingestellt, die Hallen standen jahrelang leer.

Mit der nationalsozialistischen Rüstungspolitik hatte das Wittenauer Werk wieder Konjunktur: Es wurde Mitte der 1930er Jahre auf drei Unternehmen aufgeteilt: Im Süden produzierten weiterhin die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, den mittlere Teil (mit Haus 42) bezogen die Dürener Metallwerke, die hier Metalllegierungen und Aluminiumteile für u.a. den Luftschiffbau herstellten, den nördlichen Teil nutzten die Mauser-Werke. Das Werk verließen schon vor dem Zweiten Weltkrieg Pistolen und Revolver, Halterungen für Zielfernrohre, Infanteriemunition und später Flammenwerfer sowie weiterhin Geschosse und Patronen. Zur Aufrechterhaltung der hohen Produktionsziele des Rüstungsbetriebs wurden ab 1941 auch Zwangsarbeiter aus der Ukraine eingesetzt, die zum Teil auf dem Werksgelände, zum Teil in Schönholz untergebracht waren.

Gleis- und Straßenbau vor Haus 42 (Foto: BBWA)

Gleis- und Straßenbau vor Haus 42 (Foto: BBWA)

Das Kriegsende kam für die Werke am 23. April 1945, als die Rote Armee in Wittenau einmarschierte. Bis zu diesem Tag lieferten die Mauser-Werke Waffen. Nach Stilllegung und Demontage versuchte man bei den DWM den Neubeginn als Vereinigte Werkstätten Wittenau GmbH (VWW), ab 1952 wieder DWM – Deutsche Waggon- und Maschinenfabriken, die Gebrauchsgegenstände aus Restbeständen des Kriegsmaterials herstellte. Das Portfolio bei Mauser und Dürener Metall sah ähnlich aus. Die Umstellung auf Apparate, Halbzeug, Leichtmetall etc. machten die Mauser-Werke nicht mit. Sie gaben den Standort auf, und stattdessen zog die Deutsche Dienststelle WASt 1950 hier ein.

Von nun an sahen die aufgeteilten und zum Teil veräußerten Produktionsstätten am Eichborndamm viele Mieter und viele Produkte – es wurden Klimamaschinen und Kühlschränke, Schuhputzmittel, allerlei Apparaturen, Blumenverkaufsautomaten, Waggons und Karosserien, Varta-Batterien, sogar der Amphicar und vieles mehr hergestellt. 1970 wurden die DWM aufgelöst, 1972 veräußerten die Dürener Metallwerke ihr Werk an die Kabelmetall AG.

Große Veränderungen ergaben sich – neben der Einrichtung der Deutschen Dienstelle 1950 mit Neubau 1986 sowie den Umzug des Landesarchivs Berlin 2001 – durch den Einzug der Aldi GmbH & Co. Berlin Nord KG, die anstelle der Shedhallen der Dürener Metallwerke 1982/83 eine große Lagerhalle errichtete, sowie den Erwerb großer Teile des Geländes durch die DIBAG Industriebau AG, die die Liegenschaft aufwändig herrichtete und kleinteilig weitervermietet.

Seite Mitte April werden die Gebäude am Eichborndamm 167 renoviert und nun auch das Werksgelände selbst wieder hergerichtet: Umfangreiche Bau- und Pflasterungsarbeiten schränken den Zugang zum Archiv noch bis Mitte Mai ein.

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