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27. Abend zur Industriekultur – Brot aus Berlin

„Orje fragt den Kulle: Haste nich ne Paech-Brot-Stulle?“ Die legendären Sprüche aus der Paech-Brot-Werbung waren seit den 1950er Jahren auf Streifenplakaten in den Berliner U-Bahnen und Bussen zu lesen. Kaum jemand aus Berlin, der diese Schüttelreime aus den Zeiten, als es in Berlin noch 2.500 backende Betriebe gab, nicht kennt. Warum es heute nur noch 145 in Berlin gibt und wie die Zukunft aussehen wird, darum ging es auch in den Vorträgen der Referenten Hartmut Grahn, Präsident der Vereinigung der Backbranche, und Johannes Kamm, Geschäftsführer der Berliner Bäckerinnung.

BBWA-Geschäftsführer Berghausen verweist auf Karl Marx (Arbeit und Brot), auf die russische Revolution (Frieden und Brot) und auf Brecht, für den erst das Fressen und dann die Moral kam.

BBWA-Geschäftsführer Berghausen verweist auf Karl Marx (Arbeit und Brot), auf die russische Revolution (Frieden und Brot) und auf Brecht, für den erst das Fressen und dann die Moral kam.

Die Einführung in den Abend und die weitere Moderation übernahm Björn Berghausen, Geschäftsführer des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs. Er stimmte die Gäste vorerst mit Betrachtungen zur Verbindung von Brot und Wirtschaftsgeschichte ein und näherte sich mentalitätsgeschichtlich dem Thema des Abends. Wie man schon in der Bibel von „unserem täglich Brot“ spricht, lassen sich die Aktivitäten zur alltäglichen Daseinsvorsorge in Redewendungen wiederfinden: Wir „verdienen unsere Brötchen“ oder „stehen in Lohn und Brot“.

Paech-Brot und die Transformation des Backens

Grahn

Wenn Hartmut Gran vom Brotbacken spricht, vom Geschmack durch lange Gärzeit, von der Kruste und dem heißen Vorbacken, sieht man ihm an, was für ein Genuss das ist.

Hartmut Grahn zeichnete im Anschluss unter dem Titel „Paech-Brot und die Transformation des Backens“ den Weg nach, den der Gründer des Berliner Unternehmens Eberhard Paech (1910–2000) als Pionier des industriellen Backens in Deutschland gegangen ist.

Schon mit den Produkten aus seiner ersten Bäckerei hatte Paech die Vorstellung vom absolut reinen und hochwertigen Brot aus guten Zutaten – immerhin kam er vom Handwerk. Seine Kreativität, sein Pioniergeist und seine Fähigkeit, anderen Unternehmern, Branchen oder Produktionen das Wesentliche „abzugucken“ und für sich selbst und sein Lebensziel umzusetzen, machten aus seinem Leben ein gewaltiges Abenteuer. Er bereiste die ganze Welt und verknüpfte das Gedankengut vieler miteinander, um praktische Möglichkeiten für die sein Unternehmen zu finden. „Gelegentlich“ so erinnert sich Grahn, „schickte er große Apparaturen aus Übersee, mit denen in Berlin kein Mitarbeiter etwas anfangen konnte. Kaum jedoch war Paech selbst zurückgekehrt, brachte er die Maschinen zum Laufen!“ Für den Fall jedoch, dass gebaut werden musste, gab es von ihm eine Anforderungsliste, die minutiös umzusetzen war.

Richtig los ging es mit dem Großunternehmen Paech 1951. Insbesondere wegen der legendären Sprüche aus der Paech-Brot-Werbung in den Berliner U-Bahnen und Bussen war das Paech-Brot schon Anfang der 1950er Jahre ein Begriff. Paech begann in großem Stil zu backen und hielt nach einem weiteren Standort Ausschau, um seinen Erfolg über den Berliner Tellerrand hinaus auszudehnen. Meddewade in der Nähe von Bad Oldesloe wurde der Standort der Wahl.

1967 bis 1987 – Technologischer Schrittmacher einer Branche

Eberhard Paech und das Tiefenfurter Bauernbrot

Eberhard Paech und das Tiefenfurter Bauernbrot

Die Paech-Produkte waren in ganz Westdeutschland erhältlich und die ersten deutschlandweiten Markenprodukte der Backbranche. Mehr noch: Auf allen Kontinenten gab es bald Paech-Brot zu kaufen. Von dort brachte Eberhard Paech weiterhin Ideen für Innovationen mit, wie beispielsweise den Burger aus den USA oder das Baguette aus Frankreich. Dem bekannten und beliebten Tiefenfurter Bauernbrot wurde vom in den 1980igern Jahren eingeführten „Golden Toast“ fast der Rang abgelaufen – einer Dachmarke für Toastbrot unterschiedlicher Backfirmen. Die damals neuen „Morning Muffins“ wurden allerdings nicht der erhoffte „Renner“. Die Industriealisierung der Bäckerei sicherte durch die hohe Brotproduktion problemlos die Ernährung in den industriellen Ballungszentren und Metropolen.

Dabei gibt es für Brot ein Miteinander auf dem Markt: In Supermärkten wird auf drei „Schienen“ Brot angeboten: die frischen Backwaren in Eingangsnähe, die vorgefertigten Teiglinge in Aufbackstationen und verpacktes Brot in den Regalen. Für die Bewältigung der Logistik ließ Paech für zwei Millionen D-Mark einen IBM-Computer mit riesigen Ausmaßen bauen, für dessen Bedienung eigens zwei Systemarbeiter angestellt wurden. 1987 wurde die Brotfabrik in Meddewade verkauft, die Marke Paech gelöscht.

Die Eberhard-Paech-Preis-Stiftung

Hartmut Grahn stellte als Geschäftsführer ergänzend noch die Eberhard-Paech-Preis-Stiftung vor, die das Ziel verfolgt, Brot als bedeutendes Grundnahrungsmittel im Bewusstsein der Menschen zu halten und zu ehren. Seit 1971 geht alle drei Jahre der Eberhard-Paech-Preis an verdiente Persönlichkeiten für deren außergewöhnliche Leistungen rund um das Grundnahrungsmittel Brot.

750 Jahre Bäcker-Innung in Berlin

Kamm

Johannes Kamm betonte, dass die Bäcker-Innung weiblicher wird: Christina Lutum ist heute die erste Obermeisterin der Bäcker-Innung.

Am 20. Mai 2022, dem 10. Tag des Brotes, wurde die Brotkultur als Kulturerbe und das Brot als Genussbotschafter für das In- und Ausland gefeiert. Keine Frage, dass das deutsche Brot nicht nur weltweit beliebt, sondern in seiner Vielfalt von 3.000 Brotspezialitäten einzigartig ist. Im Mittelpunkt des diesjährigen Brot-Tages stehen besondere Augenblicke – die Brotmomente – in denen das Brot für unvergesslichen Genuss gesorgt hat, ob in der Kindheit, beim Bäcker oder in herausfordernden Zeiten wie der aktuellen Pandemie.

Stationen der Innungsgeschichte

Grund genug, gerade jetzt auf die Geschichte des Bäckerhandwerks zu blicken, das die Vielfalt und Qualität des deutschen Brotes über die Jahrhunderte entwickelt und bewahrt hat. Johannes Kamm, Geschäftsführer der Bäcker-Innung Berlin, begann als zweiter Referent des Abends bei den ersten Anfängen vor 750 Jahren, als der Rat von Berlin 1272 die Gründung einer Bäcker-Innung gestatte, zeigte in seinem bebilderten Vortrag die Siegel der ältesten Berliner Bäckergewerke und verwies auf den prominenten Ort des ersten Mehlhauses in Berlin.

Goldbergersaal

Publikum bei “Brotmomenten” im Goldbergersaal

„Auf der Museumsinsel, an der Stelle wo heute das Bode-Museum steht, wurde 1776 das erste Mehlhausgebäude errichtet, aber im Zuge der dort entstehenden Museumsbauten 1826 wieder abgerissen“, ließ Kamm seine Zuhörer wissen. Der Sitz der Innung verblieb dann von 1890 an bis zum Zweiten Weltkrieg in der Chausseestraße 103 und wurde als Bäckerinnungshaus Germania bekannt. Bis auf das Vorderhaus wurde durch Bomben alles zerstört. Was blieb, wurde zu DDR-Zeiten enteignet. Die Innung erhielt das Haus nach der Wende zurück.

Kamm zeigte zur Innungsentwicklung weitere Dokumente wie beispielsweise Brotmarken, die mit Beginn des Ersten Weltkrieges wegen der Zwangsbewirtschaftung verteilt wurden. Er nannte weitere Stationen der Innungsgeschichte wie das Nachtbackverbot (das seit 1915 besteht – damals jedoch die Brotproduktion drosseln sollte, um die Mehlvorräte zu strecken), die Trennung der vor dem Zweiten Weltkrieg bestehenden 2.000 Betriebe nach Bäckereien und Konditoreien sowie die Gleichschaltung aller Innungen im Zweiten Weltkrieg, die bis dahin den Handwerkskammern ihres Bezirkes unterstanden.

Die nach dem Krieg angespannte Versorgungslage der Stadt – nicht zuletzt auch durch die Blockade – belastete die Entwicklung der Bäcker-Innung, die sich erst 1950 mit dem Auslaufen der Zwangsbewirtschaftung kurzfristig entspannte. Schon im Herbst des gleichen Jahres zerschlug sich die Hoffnung jedoch wieder. Der Brotverbrauch in West-Berlin ging zurück, da viele Berliner zwar „im Westen“ wohnten, aber „im Osten“ einkauften: Das Brot war durch das Währungsgefälle in Ost-Berlin einfach erheblich billiger!

Bis zum Beginn der Industrialisierung der backenden Betriebe gab es 4.000 Bäckereien in Berlin. Die Zahlen waren in den folgenden Jahrzehnten rückläufig. Heute sind noch 60 Betriebe in der Innung und 145 in der Handwerksrolle verzeichnet.

Die Innung heute und der Blick in die Zukunft

Sitz der Bäcker-Innung in lankwitz

Sitz der Bäcker-Innung in Lankwitz

Seit 2011 ist die Bäcker-Innung Berlin in einem Gebäude in Berlin-Lankwitz ansässig. Das Gebäude beherbergt die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Berlin-Brandenburg, den Konditoren-Landesverband Berlin und Brandenburg e.V. sowie die Räume für Aus- und Weiterbildung für Meister und Verkaufsleiter sowie für den Studiengang Ernährungsberatung.

Mit der „Goldenen Brezel“ ist ein Qualitätszertifikat für die Innungsbetriebe in Berlin und Brandenburg entwickelt worden, das vom Bäcker- und Konditoren-Landesverbandes Berlin und Brandenburg e. V. alle zwei Jahre nach einem erfolgreichen Laden- und Betriebscheck an die Innungsbetriebe verliehen wird.

In Anbetracht der Sicht in die Zukunft ist es für die heutige Bäckerinnung umso wichtiger, mit der forcierten Ausbildung- und Weiterbildung des Berufsnachwuchses ein besonderes Zeichen für die Zukunft zu setzen. Immerhin: In den letzten Jahren sind sowohl die Zahl der Innungsbetriebe als auch die Zahl der Ausbildenden gestiegen. Eine Renaissance eines Berufs, der alle Sinne bedient, zieht sogar Quereinsteiger aus akademischen Berufen an. Und für einen bestimmten Teil der Kundschaft ist nicht der Preis des Brotes entscheidend, was auch dem Handwerksbetrieb zu Gute kommt.

Text: Christine Berghausen

 

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  1. Jürgen Eichel sagt

    Hallo, ich habe von 1970 bis 1975 bei Peach Brot in Westberlin gearbeitet, in Moabit, auch in der Galvanistr, Kuchen wurde dort gebacken und in Tempelhof die andere Aussenstelle. Ich kannte meinen Chef Eberhard Peach und junior Chef Bernd ebenfalls. Auch Herrn Dahms seine Familie und seine Frau Dahms mit der ich oft unterwegs gewesen bin um Sachen zu erledigen und dann auch oft mit ihr und ihren Kinder Kaffee getrunken habe . Sehr nette Leute.
    Meiniguter Freund Peter und ich sind damals Kollegen gewesen und er noch Jahre für den Werksverkehr nach Meschedde ect unterwegs. Ich bin 1975 zur Bvg und wurde da Einmann Busfahrer bis 2006 in den Vorruhestand ging. Das sind alles sehr schöne Zeiten gewesen und ich bin sehr dankbar das erleben zu können.. Mfg Jürgen Eichel.

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