Archivgut
Schreibe einen Kommentar

In Arbeit: der Bestand der Berliner Börse AG

1685 wurde die Börse Berlin durch ein Edikt des „Großen“ Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegründet. Aus den sogenannten „Morgensprachen“, wie die Zusammenkünfte der Gilden bezeichnet wurden, entwickelten sich regelmäßige, als Bourse bezeichnete Treffen, die ab 1696 in einem Gebäude des Amtes Mühlenhof auf dem Mühlendamm stattfanden, bis König Friedrich Wilhelm I. 1738 den Gilden die „Grotte“, ein Gartenhaus im Lustgarten, als Börsengebäude überließ.

Alte Börse 1850

Am 25. Februar 1739 fand die erste Börsensitzung für einen von der Kurmärkischen Kammer bestätigten Handel in Waren und Wechsel statt. 1797 wurde ein Neubau geplant, da die „Grotte“ zu klein wurde, und 1805 wurde das neue Börsengebäude im Lustgarten eröffnet. Ab den 1830er Jahren wurde die Börsenspekulation durch die Gründung zahlreicher Gesellschaften im Zusammenhang mit dem beginnenden Eisenbahnbau beflügelt, was eine Erweiterung des Gebäudes bereits 1838 notwendig machte. 1863 zog die Berliner Börse in die Burgstraße, wo das neue Gebäude durch die Korporation der Kaufmannschaft übernommen wurde. Nach dem Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1870 und dem Aufschwung in den Gründerjahren stieg der Effektenhandel, der Handel mit Wertpapieren, wie Aktien und Schuldverschreibungen, stark an. 1884 erfuhr das Gebäude eine Erweiterung um einen dritten Saal für die Produktenbörse, einen Plenarsaal, einer Börsenbibliothek und Räumen für den 1881 eingeführten Telegraphenverkehr, dem sogenannten Postamt Börse.

Börsenbetrieb

Nach dem ersten Weltkrieg stieg der Börsenverkehr in Berlin sprunghaft an. Ab 1933 erschwerte die Herrschaft des Nationalsozialismus durch Reformen alle Börsentätigkeiten. Die Börse verlor damit ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. In dieser amputierten Form blieb die Börse während des Krieges bis 1945 geöffnet. Die Währungsreform 1948 und das am 01. Oktober 1949 in Kraft getretene Wert-papierbereinigungsgesetz bildeten die Voraussetzungen für eine Neuordnung des Bank- und Wertpapierwesens in den Westsektoren Berlins. Im Juli 1950 wurde der Wertpapierhandel in Form eines Geregelten Freiverkehrs wieder aufgenommen und im März 1952 der amtliche Börsenhandel in Berlin (West) wieder eingeführt. Bevor 1955 das neu errichtete Gebäude in der Fasanenstraße an der Ecke Hardenbergstraße bezogen werden konnte, fanden die Börsenversammlungen behelfsmäßig im Logenhaus in der Emser Straße statt, nachdem das Gebäude in der Burgstraße bei einem Luftangriff 1945 schwer beschädigt worden war. 1996 zog die Börsenverwaltung als erster Mieter in das neue Ludwig-Erhard-Haus ein, das auch die Industrie- und Handelskammer Berlin sowie den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller e.V. beherbergt. Heute ist die Berliner Börse eine teilrechtsfähige Anstalt des Öffentlichen Rechts (AöR).

Börsensaal

Börsensaal

Seit März dieses Jahres bin ich nun als Projektmitarbeiterin hier im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv beschäftigt. „Mein“ Projekt – das wird bis Ende 2023 die Erschließung dieses historischen Archivs der Berliner Börse AG sein, das das Wirtschaftsarchiv Anfang November 2020 übernommen hat. Es handelt sich um den bisher zweitgrößten Bestand in unserem Archiv. Die über 2000 Akten, die sich auf etwa 160 Lfm. erstrecken, enthalten Informationen über alle börsennotierten Berliner Unter-nehmen (ab 1952), wie z. B. den Axel Springer Verlag, Gustav Genschow & Co., Hageda, Bubiag, Engelhardt-Brauerei, Hermann Meyer & Co., Dexia Hypothekenbank, Tempelhofer Feld AG für Grundstücksverwertung und die Berliner Kraft und Licht AG (BEWAG).

Die Standardunterlagen für die Zulassung der Unternehmen an der Börse bestehen hauptsächlich aus Börsenzulassungsprospekten, Satzungen, Handelsregister-Auszügen, Protokollen der Jahreshauptversammlungen, Geschäftsbericht, Bekanntmachungen, Zeitungsartikeln, Musterbögen von Aktien, Anleihen, Zinsscheinen, Gewinnanteilscheinen oder Inhaber-Teilschuldverschreibungen sowie Sitzungsprotokollen der Zulassungsstelle der Berliner Börse/Abteilung Wertpapierbörse. Desweiteren befindet sich Korrespondenz der Berliner Wertpapierbörse und Produktenbörse, der verschiedenen Gremien wie z. B. der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen, der Börsensachverständigen-kommission und des Arbeitskreises Neue Aktie e. V. oder auf internationaler Ebene Korrespondenz mit der Vereinigung der internationalen Börsen FIBV (Féderation des Bourses de Valeurs), im Bestand. Außerdem Protokolle, Satzungen, Börsenordnungen, Fotos, Broschüren, Prospekte, technische Zeichnungen und Grundrisse.

Börse Berlin an der Fasanenstraße

Börse Berlin an der Fasanenstraße

Bisher konnte der Inhalt von etwa 260 Akten in die Datenbank überführt werden, das entspricht zum jetzigen Zeitpunkt 420 Archivmappen auf ca. 13 Lfm. und umfasst eine Laufzeit von 1944 bis 2009. Darin befinden sich auch Unterlagen zur Einführung der Fernseh-Übertragung der Börsenkurse durch den Sender Freies Berlin ab Januar 1965, Korrespondenz zu gerichtlichen Streitigkeiten mit Kursmaklern oder Zeitungen bezüglich der Bestellung als Pflichtblatt zur Bekanntmachung von Börsenzulassungen oder der recht umfangreiche Aktenbestand der Organisation und Durchführung der 30. Generalversammlung der FIBV am 05.09.-07.09.1990 in Berlin.
Geplant ist, bis Ende Juni etwa 140 weitere Akten zu bearbeiten.

Mit dem Thema „Börse“ und „Aktien“ hatte ich bisher kaum Berührungspunkte. Nach 2,5 Monaten, in die ich nun in die Welt des Börsenparketts im Rahmen der Aktenerschließung eingetaucht bin, hat sich auch hier wieder einmal bestätigt, dass jedes Thema, auch wenn es auf den ersten Blick für mich noch so trocken erscheinen mag, interessant sein kann. Und ich bin gespannt, was in den kommenden Monaten in den weiteren über 100 noch zu erschließenden Laufmetern Akten an „Schätzen“ in Form von interessanten Fakten und ggf. Fotos noch so ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

Text: Beate Bohm

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert