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Neue Perspektiven für Industriekultur heute – Fachtagung in Rüdersdorf

Eine kleine Weltreise führte mich am vergangenen Freitag nach Erkner. Genauer gesagt nach Rüdersdorf. Ins Kulturhaus, zur Fachtagung „Umbruch und Transformation. Neue Perspektiven für Industriekultur heute“. Der Museumsverband Brandenburg hatte eingeladen zum zweitägigen Austausch zur Industrieregion Berlin-Brandenburg. Was war und was ist (das Thema des ersten Tages) und was kann werden (steht am zweiten Tag im Fokus).

(Foto: BBWA)

Tagungsort: Kulturhaus Rüdersdorf (Foto: BBWA)

Mehr als 40 Teilnehmende nehmen Platz, und dann geht es auch schon Schlag auf Schlag. Nach einleitenden Worten, unter anderem von Susanne Köstering, der Organisatorin der Tagung, gibt Björn Berghausen einen geschichtlichen Überblick über die Industrieregion Berlin-Brandenburg im 20. Jahrhundert. Fast nichts bleibt unerwähnt und lässt den Zuhörer etwas atemlos zurück.

Nachdem der große Bogen gespannt ist, geht es nun ins Detail mit verschiedenen Beispielen handfester Industriekultur und ihrer Folgen. Wie Lars Schladitz von der Museumfabrik Pritzwalk anhand der Wasserverschmutzung in der Dömnitz verdeutlicht, die durch Pritzwalk fließt und seitens einer Färberei und einer Brauerei in der ersten Hälfte des 20. Jhd. stark belastet wurde. Da mag man sich gar nicht fragen, wie es zu dieser Zeit in Havel und Spree aussah bzw. roch.

Nach der Mittagspause folgt ein Beitrag von Rainer Karlsch vom Institut für Zeitgeschichte zu Demontagen durch die sowjetischen Besatzer nach dem zweiten Weltkrieg. Da ich mich damit noch nicht näher befasst habe, erfahre ich viele „neue“ Dinge: zum Beispiel den Unterschied zwischen Beutegut und Reparationsgut und dass es über 30 Jahre dauerte, bis die Eisenbahn wieder auf Vorkriegsniveau agieren konnte, weil so viele Schienen demontiert wurden.

Und dass es ein Kernkraftwerk in Rheinsberg gab, das wusste ich auch nicht. Sebastian Stude aus Potsdam erzählt, dass dort mitten auf der grünen Wiese ein Kernkraftwerk stand, um herauszustellen, wie leise und sauber Atomenergie ist. Etwas, was man von der Braunkohle nicht behaupten konnte.

"Umbruch und Transformation"

“Umbruch und Transformation”

Zum Schluss räumt Wolf-Rüdiger Knoll, ebenfalls vom Institut für Zeitgeschichte, mit Mythen und Legenden rund um die Arbeit der Treuhand auf und präsentiert Ergebnisse seiner Forschungen zu einem Dutzend privatisierten Großbetrieben in Brandenburg unter dem Thema „Treuhand in Brandenburg“, darunter die Braunkohle, Premnitz, Wittenberge und Rüdersdorf selbst.

Ab 17 Uhr gibt es zum Abschluss des Tages noch eine Führung durch den Museumspark Rüdersdorf, durch Frank Schaal, den Geschäftsführer. Trotz der Ankündigung, dass die Führung nicht so lang wie sonst dauern wird, sind wir zwei Stunden unterwegs. Es gibt halt einfach so viel zu sehen, obwohl viele enttäuscht sind, dass es im Kalksteinbruch freitagabends keine Sprengungen mehr gibt.

Am zweiten Tagungstag geht es um das Zusammenspiel der Museen als Akteure der Industriekultur mit Beispielen des Sächsischen Industriemuseums Knappenrode, dem Berliner Zentrum Industriekultur und dem Technikmuseum Berlin sowie dem Umgang der Stadt Cottbus mit den der innerstädtischen Industriekultur. Prof. Jürg Steiner zeigt, wie Museen und Ausstellungen in Objekte der Industriekultur eingezogen sind – zum Beispiel in den Gasometer Oberhausen oder für zwei Landesausstellungen in das Kraftwerk Zschornewitz. Danny Könnicke vom Museumsverband Sachsen-Anhalt weist daraufhin, dass zukünftige Objekte in Technikmuseen selbst „digital born“ sein könnten und wirft die Frage auf, wie man etwa einen digitalen Code, ein Programm oder einen „glatten“ Roboter ausstellen und die aktuellen Themen wie „Klimawandel“ oder „Digitalisierung“ vermitteln kann.

Umbruch und Transformation heißt nicht nur die Tagung, sondern beschreibt den Inhalt der Industrie- und Technikmuseen in Brandenburg, aber auch den Auftrag an die Museen als Institutionen. Dass hier ein breiter Dialog entsteht – dafür bietet die Tagung einen idealen Startpunkt.

Text: Carolin Schulze-Ehrenfeld/BB

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