Allgemeines
Schreibe einen Kommentar

Briefköpfe in Hülle und Fülle! Getreu dem Motto „Ich bin Historiker – ich darf das!“

Frei nach einem jüdischen Sprichwort lässt sich ein Briefkopf lesen und sogar singen. Man kann einen Briefkopf aber auch scannen und digitalisieren. Und wenn man einen Briefkopf scannen und digitalisieren kann, dann geht das auch mit den 4.550, die das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv (BBWA) zurzeit in seiner Sammlung „Briefköpfe Berliner und Brandenburger Unternehmen“ aufbewahrt.

Dieser Sammlung, zu finden unter der Signatur „S2/07“, wird in den nächsten drei Monaten meine ungeteilte Aufmerksamkeit gehören.

Die Aufgabe umfasst fünf Teilaspekte, die ich im Folgenden kurz vorstellen möchte.

Erschließen: Am Anfang war – zumindest in diesem Fall – nicht das Wort, sondern AUGIAS. Mit diesem Computerprogramm erschließe ich die Briefköpfe. Unter anderem ermittle ich die Datierung der Briefe, sofern ein Datum (z. B. durch einen Eingangsstempel) ersichtlich ist; teile sie einer Systematikgruppe zu und trage Informationen wie den Firmennamen, Absender/Empfänger, Adresse, Art des Briefes und die Provenienz ein. Des Weiteren gebe ich Bemerkungen ab, nehme eine historische Einordnung vor und beschreibe die editorischen Besonderheiten des Briefkopfes (z. B. die Schrift) sowie dessen graphische Darstellung. Zu guter Letzt ergänze ich das Verzeichnisprotokoll mit meinem Kürzel.

Signaturen: Bei diesem Schritt vergebe ich für jeden Briefkopf eine Signatur.

Scannen: Das Einscannen der Briefköpfe ist meine Hauptaufgabe und nimmt am meisten Zeit in Anspruch. Hierfür steht mir ein Fotoscanner eines großen japanischen Unternehmens zur Verfügung. Beim Einlegen des Papiers muss ich aufpassen, dass die Briefe nicht zu breit, nicht zu brüchig und nicht beklebt sind. Ansonsten hieße es statt „Wo gehobelt wird, fallen Späne!“ womöglich „Wo gescannt wird, bröckeln Papierfetzen!“ Und das darf nicht sein.

Digitalisierung: Anschließend werden die Scans mithilfe eines Programms mit Metadaten versehen. Erst diese Vergabe stellt die eigentliche Digitalisierung der Briefköpfe dar. – Wieder etwas dazu gelernt!

Bearbeitung und Nutzbarmachung: Zum Schluss werden die Briefköpfe von mir so bearbeitet, dass sie den Datenschutzrichtlinien entsprechen und dann via „Findbuch.Net“ online gestellt.

Meine zweite Arbeitswoche hat zwar gerade erst begonnen, aber ich habe bereits viel Positives erlebt und konnte auch schon einiges lernen. Auch ist das Arbeitsklima sehr angenehm und kollegial. Allerdings gibt es einige Fallstricke und – zurückhaltend formuliert – Ernüchterungen, die ich nicht verschweigen will. Eine Ernüchterung stellt zum Beispiel die Bearbeitungsmonotonie dar, wenn mir der 10., 50. oder gar 100. Briefkopf derselben Firma vorliegt – und ich mich wundere, warum meine Vorgänger nicht stärker kassiert haben. Ich sage nur: Oskar Böttcher!

Fallstricke liegen in meiner Vita begründet. Ich bin Historiker und verspüre einen unstillbaren Recherchedrang. Frau Estler-Ziegler musste mich nicht nur einmal behutsam, aber bestimmt daran erinnern, dass ich dafür keine Zeit habe. Aber manchmal mache ich es trotzdem, getreu meinem Motto: „Ich bin Historiker – ich darf das!“ Und mache mir zumindest eine Notiz für später.

BBWA S2/07/316

Ein immer wiederkehrender Lapsus passiert mir bei der Vergabe der Signatur. Statt „S2 …“ will ich oft automatisch „NS 2 …“ schreiben. Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich für mein privates Forschungsvorhaben (eine Monografie über das SS-Führungshauptamt) hauptsächlich mit Akten aus dem Bundesarchiv zu tun habe, die mit einer „NS“-Signatur versehen sind.

Am 11. Oktober 2021 habe ich bereits ein gutes Stück eingescannt. Ich bin gespannt, was die weiteren Archivkartons für mich bereithalten werden. Hoffentlich keine weiteren Briefköpfe von Oskar Böttcher!

Abschließend möchte ich – erneut ziemlich frei – Joseph von Eichendorff zitieren:

Briefköpfe nachts verschlingen,
schwatzen nach der Welt Gebrauch,
und das große Scanrad schwingen
wie ein Ochs, das kann ich auch.

Text: Victor Marnetté

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert