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Unter der Lupe – „PATRA – Ihr Parfüm in aller Welt“

stand in den 60er Jahren in Neon-Schrift über den Dächern des Kurfürstendamms geschrieben. Dahinter verbarg sich der einst sehr erfolgreiche deutsche Parfüm- und Kosmetikhersteller Gebrüder Kleiner.

Das Unternehmen wurde 1928 von dem damals 17-jährigen Industriekaufmann Alfred Kleiner und seinem 22-jährigen Bruder Richard Kleiner zunächst als Großhandel mit hygienischen Gummiwaren in Berlin-Tempelhof gegründet.  Laut Berliner Adressbücher saß die Firma von 1933 bis 1939 in der Fürbringer Str. 20a in Berlin-Kreuzberg. In diesem Zeitraum begann die Eigenproduktion kosmetischer Artikel. 1936  wird der Firmenname in „Elite-Gummi Gebrüder Kleiner“ geändert und der Geschäftsbetrieb auf Großhandel mit hygienischen Gummiwaren und Duftwässern ausgedehnt.

Während des zweiten Weltkriegs wurde das Unternehmen von den Ehefrauen der beiden Brüder weitergeführt. 1940 ist der Sitz in der Belle-Alliance-Str. 21 (später: Mehringdamm). Das Geschäftslokal wurde 1945 durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt. Nach dem Krieg musste das Unternehmen neu aufgebaut werden und wurde 1946 in Gebrüder Kleiner umbenannt und auf die Fabrikation von Parfüms und Kosmetika umgestellt. 1947 erfolgte der Umzug nach Berlin-Tempelhof in den Bayernring 1.

Von 1946 bis 1948 wurde das von französischen Düften inspirierte herbe Parfüm PATRA entwickelt. Aufgrund der fehlenden Rohstoffe und der Blockade Berlins wurde es jedoch erst ab 1950 verkauft. Mit Einführung dieser Qualitätsmarke gelang der große Durchbruch in Deutschland. Der besondere Duft und der erschwingliche Preis sorgten für viele Abnehmer in der Nachkriegszeit. Durch die groß angelegte Preisspanne der PATRA-Produkte wurden alle Käuferschichten bedient. Über die Auslieferungslager verschiedener Vertreter wurden die Erzeugnisse in der ganzen Bundesrepublik vertrieben. Mit einem intensiven Exportgeschäft wurde außerdem der gesamte Weltmarkt versorgt. Als führender Berliner Parfümproduzent konnten sich die Gebrüder Kleiner sogar im Wettbewerb mit der amerikanischen und französischen Konkurrenz erfolgreich durchsetzen.

Briefkopf 1954 (BBWA K 1/1/2815)

Nach dem Tode Richard Kleiners 1953 waren seine Witwe Kätchen Kleiner und Albert Kleiner die persönlich haftenden Gesellschafter. Durch die stetige Geschäftsausweitung gab es in der Unternehmensgeschichte viele Umzüge. Von 1948 bis 1955 wurden die Produktions- und Geschäftsräume am Bayernring in Tempelhof durch zusätzliche Räumlichkeiten auf 1680 qm erweitert. Erst 1956 ließ man sich am Tempelhofer Ufer 9 in Kreuzberg in einem eigenen Geschäftshaus endgültig nieder mit einer Stammbelegschaft von 100 Personen, davon 90% Frauen. Auf dem erworbenen Grundstück standen dem Unternehmen Büro- und Fabrikräume mit einer Nutzfläche von 4.500 qm zur Verfügung. Dies entsprach der doppelten Kapazität gegenüber dem vorherigen Standort in Tempelhof.

Das neue Geschäftshaus 1956 (BBWA K 1/1/2815)

Als Gegenstück zu PATRA brachte man BERLIN heraus, ein Parfüm mit süßlicher Note. Der Umsatz des Unternehmens wurde zu 85% durch Parfüms gedeckt. Die Marke PATRA war mit 30% an der gesamten deutschen Parfümherstellung beteiligt. 1958 lag der Jahresumsatz bei rund 4 Millionen DM und die Firma erhielt die Gewerbezulassung um mit einem erweiterten Warenumfang im Import- und Exportgeschäft zu handeln. Dazu zählten Rohstoffe, Halbfertigfabrikate und Fertigwaren (Taschen und Lederwaren, Seidenstoffe, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, Farben, Lebensmittel, Spirituosen, Pappwaren, Putzmittel, Behälter und Gefäße aus Holz oder Aluminium, Bekleidung usw.). Im selben Jahr wurde beim Deutschen Patentamt der Schutz der Marke PATRA für die Warenklasse 42 beantragt.

In den sechziger Jahren hielten die Gebrüder Kleiner 22% der deutschen Parfümproduktion. Der Vertrieb lief über 19 Auslieferungslager in Westdeutschland, ein Verkaufsbüro in Hamburg und mehrere Auslandsvertretungen. Neben PATRA zählte auch die Herrenserie ORIENTA TABAC mit Eau de Cologne und Rasierwasser zum Sortiment. Die PATRA-Pflege-Serie umfasste außerdem pflegende und dekorative Kosmetik wie Gesichtswasser, Make-up und Lippenstift. Ab 1960 wurde der Vertrieb von Erzeugnissen der französischen Firma SOPHIE NERVAL übernommen. Der Produktkatalog umfasste auch PATRA-Eau de Cologne, ALT BERLINER LAVENDEL, CARAVA-Rasierwasser und KÖLNISCH WASSER. Parfüms der französischen Firma MURY wurden ab 1965 alleine vertrieben.

Ein Werbefilm aus den 50er/60er Jahren zeigt die umfangreiche Produktpalette der PATRA-Serie: “Ein Duft aus Berlin” – Ein Fischerkoesen-Film.

1970 erfolgte die Umwandlung zur Gebrüder Kleiner GmbH, welche dann durch die Henkel-Gruppe übernommen wurde. Die Firma agierte jedoch weiterhin als eigenständiges mittelständisches Unternehmen. Zu dieser Zeit wurden etwa 10.000 Kunden, darunter 1.500 Großhändler und etwa 8.500 Einzelhandelskunden beliefert. Die Henkel-Gruppe nutzte die Gebrüder Kleiner GmbH um ihr Kosmetikgeschäft mit der DDR abzuwickeln. 1971 schied Herr Alfred Kleiner aus der Geschäftsleitung aus. Diese Funktion wurde von Siegfried Schugens übernommen. Bis 1974 konnte die Gebrüder Kleiner GmbH den Umsatz nahezu verdoppeln. Es folgte eine große Feier zum 50-jährigen Firmenjubiläum 1978. Das Unternehmen hatte damals über 100 Mitarbeiter. Zur Entlastung wurde 1981 in der Englischen Straße in Charlottenburg ein neues Produktionsgebäude eingeweiht in dem auch neue Produkte hergestellt wurden. Die Investitionen dafür beliefen sich auf 16 Millionen DM.

1986 wird das Unternehmen in „Columbia Cosmetics GmbH“ umbenannt. Der Sitz blieb weiterhin in Berlin, aber der ursprüngliche Markenname „Gebr. Kleiner“ erlosch. 1995 wurde das Unternehmen von Henkel verkauft

Text: Louis Hilbrecht

 

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