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Unter der Lupe – Acht Tage Archivrecherche

Der Countdown läuft. Für die Teilnehmer/innen des Recherchekurses der indisoft GmbH bei uns im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv ist der letzte Tag angebrochen. Es wurde gegoogelt, in digitalen Zeitschriften und Zeitungen gestöbert, sich durch die Berliner Adressbücher mit ihren eingeschränkten Suchmöglichkeiten gequält, die Unternehmensakten der IHK in unserem Magazin durchwühlt und mit der Augias-Suche im Landesarchiv noch nach einem letzten möglichen Hinweis zu dem jeweiligen Unternehmen gefahndet.

Wir (die Archivmitarbeiter) haben uns mit den Teilnehmenden über Erfolge gefreut, aber auch mit ihnen gelitten, wenn es nur wenig Informationen zu Unternehmen gab, oder Akten nicht auffindbar waren. Ich (als Dozentin) war erstaunt über die Findigkeit mancher Teilnehmenden, aber auch über die unterschiedliche Herangehensweise, die jedes Thema von sich aus verlangt hat.

Wie die Teilnehmenden selbst die Archivrecherche empfanden:

Packband aus der Werbemittelsammlung (BBWA S2/09/157)

Da ist zunächst die Parfümfabrik Gebrüder Kleiner, die einst in Berlin-Tempelhof ansässig war:

„Die Recherche zum Thema Gebrüder Kleiner gestaltete sich einfach. Aus der Kleiner-Akte des BBWA gehen alle notwendigen Informationen hervor, um den Unternehmensverlauf zu rekonstruieren. Die archivierten Artikel der „Berliner Wirtschaft“ waren sehr aufschlussreich und dienten als Grundlage für den Blog-Eintrag. Ich konnte weder im Internet noch in Landesarchiv weitere Informationen finden.“

Sammlung Hans-Joachim Mahnkopf (BBWA S2/13/173)

Das Grundstück der Bagger- und Schiffbau-Werft Carl Siebert in Berlin-Spandau stellte sich als ein geschichtsträchtiges Stück Land heraus. Hier kam die Teilnehmerin nicht an dem Grundbesitzer Rudolf Hahn und seinen vielen Pächtern vorbei. Eine wesentliche Rolle spielt der Schiffbaumeister Hans-Joachim Mahnkopf, von dem auch der kommende Blogartikel handeln wird. Sie selbst meint dazu:

„Meine anfängliche Zuversicht bezüglich einfach nachvollziehbarer Besitzerwechsel der Werft anhand der Berliner Adress-, Branchen- und Telefonbücher wurde durch fehlende, teilweise zeitlich verschobene Ãœbereinstimmungen mit dem mir vorgelegten Bestand zunächst gedämpft. Akteneinsichten in den Beständen des Berliner Landesarchivs brachten mir seitenweise Erkenntnisse zu Vorbesitzern, Pächtern – und der Familie des Eigentümers. Leider hüllten sich fast alle Beteiligten in Schweigen, was moderne Medien- und Suchmöglichkeiten betrifft. Kaum Bilder im Internet, geschweige denn aussagekräftige Artikel zu Personen, Orten oder Begebenheiten.

Für mich ein schönes (und befriedigendes) Beispiel für den gesellschaftlichen, intellektuellen und ideellen Wert alten Schriftguts.“

Bestand Richard Lebram Gold- und Silberwaren (BBWA U6/09/2

Richard Lebram, einer der führenden Großwarenhändler mit Edelmetallen und Uhren in den 1920er Jahren ließ sein Geschäftshaus im damaligen Zentrum der Berliner Wirtschaft in der Nähe des Spittelmarkts errichten. Die Frühgeschichte des Unternehmens ist in den Uhrmacherzeitschriften sehr gut dokumentiert. Spannend bis zuletzt blieb die Frage, wie das vermeintlich jüdische Unternehmen das Dritte Reich überstanden hat:

„Die Geschichte einer Firma zu rekonstruieren erinnert an Detektivarbeit. Man versucht durch Befragung des Internets und Sichtung der Kataloge von Archiven und Bibliotheken nach Schlagworten Hinweise zu ergattern, die wiederum zu Hinweisen führen, die letztendlich zu einem Fakt geleiten. So sammelt man Puzzleteil über Puzzleteil und fügt sie zu einem Bild zusammen, dass oftmals unvollständig bleiben wird. Frustrierend sind die Lücken, die viel Platz für Spekulationen, aber wenig Gewissheit zurücklassen.“

Werbemarkensammlung (BBWA S2/18)

Aufgrund der spärlichen Primärquellen zur Cigarettenfabrik „Problem“ des Szlama Rochmann wird sich die Teilnehmerin in Ihrem Artikel für die Zeitschrift „Berliner Wirtschaft“ auch mit der Cigarettenfabrik „Phänomen“ – geführt von Szlamas Bruder Baruch Rochmann – auseinandersetzen:

„Grundsätzlich hat es mir sehr viel Spaß gemacht, 13 Jahre nach Studienabschluss mal wieder auf die Jagd nach spannenden historischen Zusammenhängen zu gehen. Allerdings war ich etwas enttäuscht, dass die Grundlage im Wirtschaftsarchiv lediglich in einer Sammelmarke bestand (während andere sofort dicke Akten durcharbeiten konnten). Der anfänglich dennoch vorhandene Enthusiasmus für die Herausforderung erhielt dann nach einem Besuch im Landesarchiv prompt einen Dämpfer: Sämtliche für mich relevante Akten waren auf unbestimmte Zeit in Benutzung. Daraufhin holte ich mir bei einem Besuch im Jüdischen Museum Anregungen für alternative Richtungen, bzw. Quellen, die ich für meine Recherche heranziehen könnte. Inzwischen konnte ich nach der Einsicht der Firmenakten und privaten Schenkungen an das Archiv des Jüdischen Museums die Firmengeschichte der Rochmann’schen Zigarettenfabriken weitgehend rekonstruieren; jedoch fehlt es mir an Zeit, den “Human Interest”-Faktor der Recherche weiter zu verfolgen, den ich eigentlich ganz gern als roten Faden für meinen Artikel verwendet hätte.“

Wertpapier aus der Nonvaleurs-Sammlung (BBWA S2/16/607)

Auch für die M. Pech AG – Sanitärbedarf war die Aktenlage sehr gut, aber die neuere Geschichte (ab 1990) blieb doch im Dunkeln:

„Als ich meine Rechercheaufgabe, die aus 3 Wertpapieren des Sanitätshauses M. Pech bestand, erhielt, konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich die zu bewerkstelligende Aufgabe meistern sollte. Erste Recherchen via Google bestätigten meine Befürchtungen. Erst als ich diverse Adressbücher der ZLB durchsuchte, erhielt ich erste Anhaltspunkte und wurde hoffnungsvoller. Der Durchbruch erfolgte jedoch erst durch die Aktenbestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs und des Landesarchivs Berlin. Diese enthielten mehr Informationen, als ich mir vorstellen konnte, und ließen mein Projekt zu einem Rechercheerfolg werden.“

Wertpapier aus der Nonvaleurs-Sammlung (BBWA S2/16/468)

Die Gebr. Koppe AG mit ihrer Blechembalagen- und Metallfabrik waren für den Teilnehmer, der sie bearbeitet hat, eine große Herausforderung:

„Während des Ablaufs meiner Recherche bin ich auf einige Schwierigkeiten gestoßen. Im Internet gab es so gut wie keine relevanten Informationen. Sehr hilfreich waren die Berliner Adressbücher, deren Zugang schwer war, da sie nicht `googelierbar` sind. Nicht viel besser stand es um die Unternehmensdokumentation im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv und im Landesarchiv. Dort habe ich nur wenige relevante Dokumente zur Rekonstruktion der Saga der Gebr. Koppe gefunden. Trotzdem war ich am Ende in der Lage, einen Blog-Artikel zu schreiben. Per aspera ad astra.“  

Briefkopfsammlung (BBWA S2/07/2144)

Die Schlüterbrotfabrik in Berlin-Tempelhof hingegen ist im Internet, in der Tagespresse und in den Akten vertreten und birgt auch eher das Problem, die Informationen zu verdichten. Was die Teilnehmerin selbst feststellt:

„Die größte Herausforderung bestand in der im Verhältnis zu der gefundenen Materialmenge viel zu kurzen Recherchezeit. Es hätte Wochen gebraucht. Da man auch nach einem groben Ãœberfliegen der Inhalte nie genau wissen konnte, was im Detail noch auftauchen würde, war es zudem sehr schwierig Prioritäten zu setzten. Etliche Funde hätten zum Beispiel noch weiterer Recherchen in unterschiedliche Richtungen bedurft. Was bleibt ist das unbefriedigende Gefühl, das Material noch nicht mal ansatzweise vollständig bearbeitet und nur einen Bruchteil der möglichen Informationen extrahiert zu haben. Gleichzeitig jedoch hat die Recherche in echten Akten, unter realen Bedingungen und mit sinnvollem Hintergrund ungleich viel mehr Spaß gemacht als jede “Trockenübung” und war, gerade durch die vielen Schwierigkeiten, auch weitaus lehrreicher.“

Die Artikel zu den einzelnen Unternehmen können Sie in den nächsten Wochen auf unserem Blog lesen.

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