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Sicherung von schriftlichem Kulturgut

In der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz in der alten Kommandantur referierte Dr. Helge Kleifeld von der Gesellschaft zur Sicherung von schriftlichem Kulturgut am 27. Februar 2014 vor den Mitgliedern des Regionalen Erfahrungsaustauschs der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare (VdW) über Massenentsäuerung von Papier.

Treffen des Regionalen Erfahrungsaustauschs in der Berliner Kommandantur

Dr. Helde Kleifeld und Dr. Renate Schwärzel (Foto: BBWA)

Dr. Helde Kleifeld und Dr. Renate Schwärzel (Foto: BBWA)

Den Papierverfall nannte Dr. Kleifeld ein Massenphänomen, das unmittelbar mit der Papierherstellung zu tun hat. Bis 1850 hat man Papier aus Hadern (Lumpen) hergestellt, später auch mit Holzschliff. Das alles kam mit Harz und Alaun in einen Bottich und wurde ab 1807 in der Masse geleimt – später auch nachgeleimt. Das Leimen das Papiers verhindert das Verlaufen der Tinte beim Beschreiben. 1798 erleichterte die Erfindung der Papiermaschine die Papierherstellung. Um 1800 wurden etwa 15.000 Tonnen Papier in Deutschland hergestellt, 1866 waren es 80.000 Tonnen, 1922 schon 1.980.000 Tonnen und 1994 14.457.000 Tonnen.

Neben dem natürlichen Papierzerfall gehört die alte Galltinte zu den Papierfressern – bestes Beispiels sind die Notenköpfe der musikalischen Handschriften von Johann Sebastian Bach, die buchstäblich zu Löchern im Papier wurden.

Entsäuerungsverfahren

Das Prinzip der Entsäuerung ist sehr einfach: Das saure Papier wird in zwei von drei Verfahren in eine alkoholische Lösung getränkt und anschließend getrocknet. Nach etwa 15 Minuten ist der mechanische Entsäuerungsprozess abgeschlossen. Wichtig zu wissen ist, dass der chemische Prozess an dieser Stelle beginnt. Erst nach einigen Wochen hat das Papier den idealen Wert von 7-9,5 ph erreicht.

Der Papyrer

Der Papyrer

Dennoch ist der Workflow selbst deutlich komplexer. Es ist nicht möglich, die Akten ohne Vorarbeit einfach zu tränken. Zunächst sind die Schriftstücke einzeln hinsichtlich ihres Zustandes und ihrer Form zu prüfen: Geknickte Seiten werden geglättet, sehr empfindlichen Papier muss manuell entsäuert werden und nicht zu entsäuerndes Material, etwa Fotos, müssen beiseite gelegt werden. Um die Akten am Ende wieder in der richtigen Reihenfolge zusammenführen zu können, ist eine vorherige Foliierung der Akten unerlässlich. Nun können die einzelnen Blätter auf das Förderband gelegt werden um das Papier in die alkoholische Lösung zu tränken und anschließende zu trocknen. Das vollautomatisierte Verfahren ermöglicht die Entsäuerung mehrerer zehntausend Blätter pro Tag. Abschließend müssen die Akten wieder in die ursprüngliche Reihenfolge gebracht werden. Zum üblichen Workflow gehört neben Restaurierungsarbeiten auch die Mikroverfilmung und Digitalisierung. Die Verfahren sind oftmals nicht dauerhaft wirksam – Stichproben haben ergeben, dass bis zu 15 % der Dokumente nicht nachhaltig entsäuert wurden.

Anregung eines Schadenskatasters

In der Diskussion verwies Dr. Kleifeld auf die Voraussetzungen für die Massenentsäuerung zum Erhalt der eigenen Bestände: Geldmittel. Diese würden nur bereitgestellt, wenn die Archive zunächst die Schadenssituation systematisch erfassten, einen Schadensatlas der Bestände anlegten und einen Erhaltungsplan aufstellten. Empfohlene Hilfsmittel sind hierbei eine Digitalkamera (u.a. zum Festhalten des Schadensbildes), ein pH-Teststift, Teststreifen zur pH-Wertermittlung sowie ein Alaun-Teststift. Aus dem Teilnehmerkreis kam die Anregung, dass die Berliner Unternehmensarchive einmal einen Schadensatlas anlegen sollten, um ein Gesamtbild zu erstellen.

Geschrieben von W. Künstler / BB

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