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Geld zählen, Geld sortieren, Geld prüfen – Ein neuer Bestand im BBWA

Jedes mal, wenn die Oma zu Besuch kam und mir einen Strumpf voller Kleingeld als Geschenk in die Hand drückte, musste meine Mutter danach mit mir zur Bank, um das Geld zählen zu lassen. Schon damals hätte ich gerne selbst solche Münzbehälter zum Kleingeld zählen gehabt.

Der Besuch bei de Firma Inkiess zur Bestandsübernahme der Registratur hat Kindheitsträume wahr gemacht. In vielen Vitrinen standen wunderbare Objekte, die damit zu tun haben, Geld zu wiegen, zu sortieren und zu prüfen, und die 85 Jahre Firmengeschichte widerspiegeln.

Tiefziehmaschine

Tiefziehmaschine (Bild: BBWA)

1935 erwarb der Neuköllner Strickwarenfabrikant Walter Kießling von dem Bankbeamten Anton Schindler die Patentrechte für eine Hartgeldzählkasse mit absoluter Zählgenauigkeit aus dem damals neuartigen Material “Kunststoff”. Er gründete noch im selben Jahr das Unternehmen ANKIESS, das von seiner Tochter Ingeborg Heuser geleitet wurde.

Auf der Leipziger Messe 1936 stellte das junge Unternehmen sein erstes Produkt vor und zwar die Inkiess Rekord Nr. 8, ein Münzbehälter für die Zählung von neun verschiedenen Geldstücken. Das Interesse an diesem Produkt war groß und die “Deutsche Reichsbank”, die “Reichspost” und die “Reichsbahn” wurden schnell zu Hauptkunden.

Im Zweiten Weltkrieg stand das Produktionsmaterial Kunststoff bald nicht mehr zur Verfügung. Um die Produktion während der Kriegszeit und in der Nachkriegszeit aufrecht zu erhalten wurden die Geldkassetten aus Steinmehl produziert. Trotzdem musste der Betrieb im April 1945 erst einmal eingestellt werden.

Die Nachkriegsjahre waren für das Unternehmen schwierig, und auch die Währungsreform brachte nicht den Erfolg, der erwartet wurde, was an der Blockade Berlins lag. 1950 übernahm Margot Voß das Unternehmen und der Firmensitz wurde in das Goerz-Haus in Berlin-Friedenau verlegt. Zu dieser Zeit konnten die Münzbehälter wieder aus Bakelit gepresst werden.

Bruno Voß gründete 1956 die VOSCOPLAST GmbH und ermöglichte somit eine eigene Kunststoffproduktion sowie den eigenen Werkzeugbau. In den nächsten Jahren wurden viele innovative Produkte für namhafte Kunden gefertigt und die Produktion ausgeweitet. 1977 kam es zur Zusammenführung der beiden Schwesterfirmen und es entstand die INKIESS Margot Voss GmbH & Co. VOSCOPLAST KG.

Highlight in der Produktion der nächsten Jahre waren die Rolljalousie-Kassen, deren Holzgehäuse durch ein neues Kunststoffverfahren aus einer Polyurethan-Verschäumung ersetzt wurden und zum 50. Jubiläum eine Münzbehälter-Generation im 2-Farben-Spritzverfahren – braun-gelb, den damaligen INKIESS Hausfarben.

Unternehmensssitz (Bild: BBWA)

Unternehmensssitz (Bild: BBWA)

Kurz vor der Wende wurde der Grundstein für das neue Verwaltungs- und Produktionsgebäude im Buckower Damm 30 in Berlin-Neukölln gelegt, was bis heute Firmensitz der INKiESS Bargeldlogistik GmbH ist.

Schon Ende der 90er Jahre beschäftigte sich INKIESS mit der EURO-Einführung. 2002 wurde zu einem der arbeitsreichsten Jahre in der Produktion und im Vertrieb. Es waren täglich 600 Faxe und E-Mails zu bearbeiten, und die Telefone standen nicht mehr still. In den darauffolgenden Jahren kamen die Aufträge aus anderen Euro-Ländern – INKIESS war inzwischen ein international bekanntes Unternehmen.

Die weitere Geschichte des Unternehmens, das 2020 seinen 85. Geburtstag gefeiert hat, wird anhand der 18 lfm Papier, die inzwischen in unserem Magazin liegen, erzählt werden. Insbesondere ist die Dokumentation der Sonderkonjunkturen spannend, die durch Währungsreformen hervorgerufen wurden.

P. S.: Da ein Archiv nun mal keine Objekte übernimmt, musste ich die Hartgeldzählkästen leider bei INKIESS lassen.

Text: Tania Estler-Ziegler

4 Kommentare

  1. Theresa Hahn sagt

    Ausgewählte Produkte der Firma INKiESS sind in die Sammlung des Deutschen Technikmuseums, Bereich Handwerk und Produktion, aufgenommen worden.
    Viele Grüße
    Theresa Hahn

  2. Brigitte Förster sagt

    Wie nett, hier “alten Bekannten” wieder zu begenen. Meine Mutter Liselotte Förster hat in den 60er/ 70er Jahren für INKIESS/Voscoplast als Stenokontoristin gerbeitet, damals noch in Friedenau, und mein Vater, der gelernter Modelltischler war, hat nebenberuflich Gußmodelle für die Münzbehälter gebaut.
    Da es in dem kleinen Betrieb recht familiär zuging, bin ich dem Ehepaar Voß auch mehrfach begegnet.
    2 Bilder aus der Zeit habe ich noch, eines mit dem Ehepaar Voß, eines mit Herrn Klein, der Mutters Vorgesetzter war. Sollten Sie Interesse daran haben, melden Sie sich doch
    Freundliche Grüße
    Brigitte Förster

    • Ute Tuscher sagt

      Hallo Frau Förster

      Mein Name ist Ute Tuscher. Ich war / bin Geschäftsführerin bei INKiESS “alt und neu” und arbeite seit über 40 Jahren im Unternehmen. Der Name Förster ist in meinen ersten Jahren immer wieder gefallen – im positiven Sinne natürlich.

      Da wir seit einem Jahr extrem mit der internen Umgestaltung des Unternehmens beschäftigt waren, habe ich erst kürzlich Ihren Kommentar entdeckt. Ich habe die “Ehre”, nebenbei das INKiESS Archiv und Museum zu verwalten. Selbstverständlich sind wir an den Fotos interessiert. Auch Herr Klein wird sich sicher dafür interessieren.

      Auch würde ich gern mehr über die Modelle erfahren, die Ihr Vater gebaut hat.

      Gern können wir auch miteinander telefonieren.

      Freundliche Grüße aus Britz

      Ute Tuscher

  3. Ich bin glücklich zu sehen, daß das Archiv von INKiESS eine neue Bleibe bekommen hat und im Archiv zugänglich gemacht wird. Vielen Dank dafür!

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