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Circus bis unters Dach – Aus dem Nachlass des Sammlers Martin Schaaff (Teil 1)

Es war ein Heimspiel für Martin Schaaff. 1995 feierte die Gesellschaft der Circusfreunde (kurz GCD) ihr 50-jähriges Bestehen in Berlin. Und mittendrin ihr Ehrenmitglied Schaaf, der 85-jährige Berliner Pfarrer, der eine lebenslange und geradezu innige Liebe zum Zirkus empfand.

Die Circusfreunde sind ein kleiner Kreis von Zirkus-Enthusiasten, die sich seit 1955 in wechselnden Städten zu Gesprächen und Zirkusvorstellungen treffen.
Martin Schaaff fuhr regelmäßig zu diesen Zusammenkünften und sammelte u.a. sämtliche Dokumente, die auch nur entfernt mit der GCD in Zusammenhang standen.

Martin Schaaff

Martin Schaaff

Schon als Kind war Schaaff ein Bewunderer der großen Paula Busch gewesen, die später eine enge Freundin wurde. Durch die Eheschließung mit der Eisbärdompteurin Doris Arndt heiratete er buchstäblich in die Zirkuswelt ein.

Zeitlebens sammelte er jeden Zeitungsschnipsel und jedes Buch, in denen es um Zirkus, Schaustellerei oder Varieté ging. Einer der Schwerpunkte lag hierbei auf dem Berliner Circus Busch. So entstand in jahrelanger akribischer Arbeit in seinem Wohnhaus in Berlin-Hermsdorf das private Circus-Busch-Archiv. Jedes Regalbrett und jede Wand waren dem Zirkus gewidmet.

Schaaffs Sammlung dokumentiert aber auch den allmählichen Niedergang und gesellschaftlichen Bedeutungsverlust der Zirkuswelt seit den 1930er Jahren.

Anlässlich des Doppeljubiläums „50 Jahre Circusfreunde“ und „100 Jahre Circus Busch-Bau in Berlin“ stellte Schaaff 1995 eine Ausstellung auf die Beine. Unter dem Titel “Husch Husch zu Busch” zeigte er im Berliner Panoptikum viele Objekte seiner Sammlung.

Die glanzvolle Zeit des Circus Busch, als dieser über ein festes Gebäude am Monbijou-Park verfügte, endete mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Das mittlerweile baufällige Etablissement stand den nationalsozialistischen Plänen von Berlin als „Germania“ im Weg und wurde 1937 abgerissen. Generell begegnete das NS-Regime der Zirkuswelt mit Verachtung. Die Schausteller wurden, sofern sie noch Auftreten durften, an den Rand der Städte gedrängt. Nach dem Krieg verbesserte sich die Situation materiell nur geringfügig. Da das Ensemble kein Ersatzgebäude erhielt, musste der Circus Busch unter Paula Buschs Leitung erst lernen, mit einem Zelt zu reisen.

Pfarrer Schaaff zelebriert einen Gottesdienst im Zirkuszelt (BBWA N 7/03/40, Nr. 1)

Pfarrer Schaaff zelebriert einen Gottesdienst im Zirkuszelt (BBWA N 7/03/40, Nr. 1)

In den 1990ern steckte die Institution Zirkus vollends in der Krise. Zahlreiche Zeitungsartikel dokumentieren, wie Tierschützer vor den Zelten standen und die unzeitgemäße Tierhaltung anprangerten, während die Artisten mit „Betteltieren“ zum Spendensammeln in die Fußgängerzonen ausschwärmten. Viele Traditionszirkusse gingen pleite.
Dennoch hoffte der 1963 zu Busch-Roland fusionierte Circus Busch immer noch, an die große alte Zeit anknüpfen und noch mal in die Mitte Berlins ziehen zu können. Die Presse berichtete 1995 über ein Okay des Senats zum Bau eines Gebäudes am Nordbahnhof. Der beflissene Chronist Schaaff sammelte und heftete jeden Artikel zum Thema ab. Gebaut wurde am Ende jedoch nicht, da die Finanzierung aus privaten Mitteln scheiterte.

Als die Circusfreunde 2015 mal wieder in Berlin feierten, nahm der mittlerweile fast 105-Jähige Schaaff dann doch nicht mehr teil. Fürsorglich schickte das Sammlerehepaar Winkler ihm dennoch – drei Monate vor seinem Tod – die Veranstaltungsmappe zu.

Text: Luisa Noßmann

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