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“Exil aus Berlin” und Verleihung des Preises für Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsgeschichte

Der 26. Abend zur Industriekultur am 5. November im Goldberger Saal wurde von BBWA-Geschäftsführer Björn Berghausen um 18.00 Uhr als 2-G-Veranstaltung für die 72 anwesenden Gäste eröffnet. Der Schirmherr der Verleihung des Preises für Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsgeschichte, Prof. Dr. Christoph Stölzl hatte seine Teilnahme leider kurzfristig absagen müssen. Christoph Stölzl, deutscher Historiker, Museologe, Publizist und Politiker war unter anderem von 1987 bis 1999 erster Direktor des Deutschen Historischen Museums und von 2000 bis 2001 Berliner Wissenschaftssenator. Seit dem 1. Juli 2010 ist Stölzl Präsident der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.

Preis für Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsgeschichte

Zunächst wurde der vom Wirtschaftsarchiv zum vierten Mal ausgelobte und vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller e.V. mit 1.000 EUR dotierte Preis für Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsgeschichte verliehen. Preisträgerin ist Nathalie Scholl, die für ihre im Studiengang Museumskunde an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin vorgelegte Bachelor-Arbeit mit dem Titel „Erforschung und digitale Vermittlung der Geschichte der Argus-Motoren-Gesellschaft mbH am Standort Berlin-Reinickendorf“ ausgezeichnet wird. Der Preis soll die Erforschung der regionalen Wirtschaftsgeschichte stärken. Teilnehmen konnten wirtschaftsgeschichtliche Studien in Form einer Diplom-, Master- oder Bachelorarbeit.

Laudatio und Preisverleihung

Preisträgerin Nathalie Scholl mit BBWA-Vorstandsmitglied Waltraud Künstler und Laudatorin Prof. Dorothee Haffner (Foto: BBWA)

Preisträgerin Nathalie Scholl mit BBWA-Vorstandsmitglied Waltraud Künstler und Laudatorin Prof. Dorothee Haffner (Foto: BBWA)

In ihrer Laudatio betonte Prof. Dr. Dorothee Haffner, Mitglied des Beirats des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs, als Vertreterin der Jury, dass alle eingereichten Arbeiten den Erkenntnis- und Wissensstand auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsgeschichte vertiefen und bereichern. Damit tragen die Absolventen ihren Teil dazu bei, den wirtschaftlichen Aspekten bei der Erforschung und Darstellung der berlin-brandenburgischen Geschichte einen größeren Stellenwert zu geben und die Wirtschaftsgeschichte als Disziplin im Rahmen der Geschichte als auch der Wirtschaftswissenschaften zu stärken. In diesem Sinne, so Haffner, hat die Jury, und zwar einstimmig, eine gute Wahl getroffen. Die Gewinnerin des Wettbewerbs Nathalie Scholl hat in ihrer Arbeit den Werdegang der Argus Motoren-Gesellschaft mbH und seines Standortes u.a. mithilfe eines umfassenden Bildmaterials identifiziert und mit anderen Quellen kombiniert, um die Entwicklung zu rekonstruieren, die in einer geplanten virtuellen Enddeckungsreise Online-Nutzern zur Verfügung stehen soll. „Hierfür hat sie ein überzeugendes Konzept entwickelt, das die digitale Vermittlung ihrer Forschungsergebnisse möglich machen wird.“ So die Jury. BBWA-Vorstandsmitglied Waltraud Künstler übergab im Namen des Wirtschaftsarchivs Glückwünsche, Preis und Blumen.

Abend zur Industriekultur

Nach der Preisverleihung folgte das Programm des Industriekulturabends im gewohnten Format. Die Veranstaltung verband erneut ein historisches Thema mit einem aktuellen und zukunftweisenden Anlass. Ziel des Formates ist es zu zeigen, dass Geschichte nichts völlig Vergangenes ist, sondern in der Gegenwart fortwirkt und unsere Zukunft mitbestimmt. Die Historikerin Dr. Simone Ladwig-Winters lenkte den Blick auf die Geschichte der jüdischen Familie Wertheim, die mit ihren Warenhäusern – das am Leipziger Platz war einst das größte Europas – in der Zeit des Nationalsozialismus unter Verfolgungsdruck geriet und zum Teil ermordet, zum Teil ins Exil gezwungen wurde. Der Blick des Ergänzungsvortrages nach vorn richtete sich auf das für 2025 in Berlin geplante Exilmuseum, mit dem ein Ort entstehen wird, an dem anhand von Lebensgeschichten der Exilierten der Inhalt des Wortes „Exil“ vermittelt werden soll.

Wertheim – eine Familie unter Verfolgungsdruck

Dr. Simone Ladwig-Winters über dei Familie Wertheim (Foto: BBWA)

Dr. Simone Ladwig-Winters über dei Familie Wertheim (Foto: BBWA)

Ladwig-Winters zeichnete in ihrem reich bebilderten Vortrag die Familiengeschichte der Wertheims nach. Sie schildert wie die jüdische Familie zunehmend unter antisemitische Anfeindungen gerät, bis der Machtantritt der Nationalsozialisten für die Familie und den stetig expandierenden Konzern eine tiefe Zäsur setzt. Während die drei familienbezogenen Geschäftsführer in Deutschland starben, versuchten sich ihre Geschwister und deren Kinder in der Emigration zu behaupten. Die meisten Mitglieder der Wertheim-Familie, die ins Exil gehen konnten, flohen in die USA.

Das Berliner Exilmuseum

Gründungsdirektor Prof. Stölzl legte in einem vorbereiteten und von Berghausen vorgetragenen Text Merkmale der Exilgeschichte dar, die – mehr denn je – bis in die heutige Zeit reicht und von Flucht und Migration erzählt. Der Blick auf das Exil 1933 und die Flucht aus dem Machtbereich der Nationalsozialisten macht deutlich, welchen Kulturverlust die Deutschen verschuldet haben – und was im Schatten der Erinnerung an den Holocaust an weiteren Verbrechen aufgearbeitet werden muss. Der heutige Umgang mit dem Thema hat eine neue Sensibilität für Vertreibung, Emigration, Exil und Völkermord geweckt; so die Formulierung aus dem Konzept von Stölzl: „Nach und nach kommt die Erkenntnis zurück, was diese beispiellose Selbstamputation der deutschen Kultur nach 1933 bedeutet. In einer Zeit, in der so viele Flüchtlinge zu uns kommen, wird es umso wichtiger, den Inhalt des Wortes Exil zu begreifen und ein Zeichen gegen Diktaturen zu setzen. Das möchte das neue Museum leisten. Indem es das Exil zum Thema macht, lässt es uns darüber nachdenken, was deutsche Kultur war, was wir verloren haben und was wir aus dieser historischen Erfahrung für das Heute lernen können.“

Die Stiftung Exilmuseum Berlin entwickelt das Museum aus bürgerschaftlichem Engagement heraus und hat dafür bereits ein breites Netzwerk erschaffen. Es umfasst auch weltweite Partnerschaften und Kooperationen mit existierenden Institutionen und Archiven zum Thema Exil. Die Schirmherrschaft haben die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck übernommen, Gründungsdirektor ist Prof. Dr. Christoph Stölzl.

Ein Abend unter Anwesenden

Nach der coronabedingten Auszeit für Präsenzveranstaltungen und dem unter „3G-Bedingungen“ veranstalteten Industriekulturabend zum „Genossenschaftlichen bauen“ am 15. Oktober nutzten die Gäste die Gelegenheit unter Anwesenden zum Gespräch.

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