Wirtschaftsgeschichte
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Karl Paulke und sein Kopfwaschpulver

Das am 30.04.1951 ausgefüllte Formular zur kostenlosen Aufnahme in das „ABC der Westberliner Wirtschaft“ wirbt mit dem ellenlangen Fabrikationsprogramm „Kopfwaschpulver u. Seifen-Shampoo; Oel-Haarwäsche; fl. Kopfwaschseife; fl. Handwaschseife; Eau de Cologne; Parfums; Mundwässer-Zahnpflegemittel; Kopf- u. Toilette-Wässer; Haarpflegemittel u. Haarkuren; Brillantine-Pomade; Frisiercreme; Haaröle; Haarglanzmittel u. Fixateure; Haartönungsmittel; Salben-Creme-Hautöl; Badepräparate; Körperpflege-Artikel; Rasierbedarf; Manicure-Einrichtungen-Instrumente-Präparate.“

Damit aber keinem einfiele, damit sei das Sortiment erschöpft, finden sich ergänzend folgende Spezialitäten: Goldblüte (Kopfwaschpulver); Zwiebel-Extrakt (Haarpflegemittel); Vaseline, Bor- u. Zinksalbe; Lockenwasser (Kräuselwasser); EdC. Tabac; Franzbranntwein; Fichtennadel-Kraftbranntwein.

Logo der Nessib-Werke

EdC. Tabac – was hier zunächst wie ein Ausreißer aus der Produktpalette scheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als genau der Herrenduft, den die Jüngeren vermutlich eher mit ihrem Großvater in Verbindung bringen. Tatsächlich ist der Dauerverkaufsschlager der Firma Mäurer & Wirtz seit seiner Markteinführung im Jahre 1951 aus den Regalen der Drogerien und Parfümerien nicht mehr wegzudenken.

Eines dieser Geschäfte war G. W. Karl Paulke & Co.

1905 gründet der 1873 in Züllichau als Sohn eines Werkmeisters geborene Carl Wilhelm Gustav Paulke den Betrieb und öffnet seine Pforten am Lützowufer 5a. Bei der Hochzeit mit seiner ersten Frau Hedwig im Jahre 1896 wird sein Beruf noch als Friseur angegeben. Die Ehe wird 1903 geschieden. Fünf Jahre später heiratet er die drei Jahre jüngere Margarete Emilie Maria Nicolai und wird nun als Kaufmann bezeichnet.

Die Teilnahme an der Herbsttagung des Reichsinnenverbandes des Deutschen Friseurhandwerks vom 16.-19. Oktober 1937 in Dresden zeigt zudem, dass Paulke seine Produkte nicht zufällig gewählt hatte und bewusst Artikel für die Friseurbranche herstellte und vertrieb. Zu den Hauptumsatzträgern zählte Nessib-Goldblüte, ein Kamillenhaarwaschmittel, welches eine tränenlose Haarwäsche versprach. Für dieses Produkt wurden auch Werbemarken herausgebracht, welche neben einigen Blechdosen heute nahezu die einzigen Zeugen Paulkes unternehmerischen Schaffens sind.

Auch Produkte in Kooperation mit anderen Herstellern wurden von Paulke & Co. verkauft, so zum Beispiel ein Hand- und Nagelpflegeset „Nessib“. Dieses enthielt, neben uns heute als selbstverständlich erscheinenden Maniküre-Instrumenten wie Nagelfeile und Hautschere, eine Auswahl an Nagelpflegepräparaten. Letztere natürlich aus dem Hause Paulke. Die Instrumente wurden nach der von Josef Reichelt angepriesenen Methode der „Königl. Hof-Manicure“ zusammengestellt.

Werbemarke vom Anfang des 20. Jahrhunderts (BBWA)

Zunächst findet sich der Architekt Paul Dreßler als zweiter Inhaber, doch bereits 1907 wird als Partner Ernst Thiermann genannt, welcher 1916 von Th. Reichelt abgelöst wird. Im Handelsregister 1921 wird als Prokurist Kurt Uhlemann aufgeführt, weitere Geschäftspartner werden nicht mehr genannt. Zu diesem Zeitpunkt verfügt die Firma über ein Kapital von 150.000 Mark, 1929 sind es 20.000 RM. 1910 ändert sich der Firmenname in G. W. Karl Paulke Co., GmbH. Wurden bisher schnörkellos Waschartikel als Firmenschwerpunkt angegeben, wandelte sich auch dies mit dem gleichzeitigen Umzug in die Kreuzberger Gneisenaustraße 46-47 in „Parfümeriefabrik“. Hier bleibt der Betrieb die nächsten 61 Jahre.

Nessib-Werk G. W. Karl Paulke & Co. KG

Das 1901 erbaute Gebäude steht noch heute. In den Jahren 2010-2011 wurden durch den Eigentümer umfassende Sanierungsarbeiten an den Nessib-Höfen in Auftrag gegeben. Inwiefern sich das wirtschaftliche Geschehen nach Ende des 1. Weltkrieges auf die Umsätze auswirkte, lässt sich nicht nachvollziehen. Doch mit Sicherheit verkauften sich speziell die „Nessib Präparate“, mit welchen vornehmlich geworben wurde, exzellent. 1928 werden die Produkte patentierte Namensgeber, fortan nennt sich der Betrieb „Nessib-Werk G. W. Karl Paulke & Co. Vertriebs-GmbH“, welchem sich im Folgejahr ein Patent auf das Firmenlogo anschloss. 1957 ändert sich der Name erneut zu „Nessib-Werk G. W. Karl Paulke & Co. KG.“ und findet sich seit 1977 unverändert als „Nessib – Werk G. W. Karl Paulke & Co Vertriebsgesellschaft“ im Handelsregister.

Vermutlich führte Gustav die Geschäfte mit seiner Frau Margarete zusammen, denn nach seinem Tod am 03.03.1939 übernimmt sie die Firma und betreibt in der Waldemarstraße 42 zusätzlich eine Seifenhandlung.Die Zügel werden auch in den Folgejahren nicht aus der Familienhand gegeben. Neuer Besitzer der Firmenresidenz in der Gneisenaustraße wird ein Hellmuth Brandt. Alice Brandt, 1908 als Paulke geboren und vermutlich die Tochter des Firmengründers aus zweiter Ehe, tritt in den Betrieb ein. Der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Berliner Industrie- und Handelskammer werden für das Jahr 1964 fünf Arbeiter und drei Angestellte gemeldet, für das vorangegangene Geschäftsjahr ein Umsatz von 200.000 DM.

Adressbucheintrag von 1989

Auch hier schließt sich wieder eine Lücke in der Geschichte an. Erst Ende 1970 setzt sie wieder ein – der Betrieb wird im Januar 1971 von der Gneisenaustraße in die Tempelhofer Ringbahnstraße 42 verlegt. Margarete Paulkes Prokura erlischt aufgrund ihres Todes im gleichen Jahr, das Ehepaar Charlotte und Erich Kalweit werden neue Gesellschafter. Gleichzeitig gibt ein Zusatz in der Anzeigenbescheinigung des Bezirksamtes Kreuzberg Auskunft darüber, dass der Betrieb mit Wirkung vom 31.12.1970 an die Firma Herbeta verkauft wurde.

Ende der 1970er Jahre zieht das Unternehmen in die Schaffhausener Str. 28-40, wo sie laut Onlineauskunft auch heute noch ihren Sitz hat

Text: K. Rix

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