Wirtschaftsgeschichte
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Hugo Hopfe – Beste Naeh- und Maschinen-Seide

Paul Bischoff & Hugo Hopfe gründen 1886 eine „Fabrikation roher u. gefärbt. Seiden. Spezialität: Chappe, Organsin und Trame, C Stralauerstr. 39. I. Inhaber: Paul Bischoff u. Hugo Hopfe.“ Der erste Eintrag des neuen Unternehmens in das Berliner Adressbuch erfolgt 1887. Die Geschäftspartner führen das Unternehmen gemeinsam bis zum Ende des Jahrhunderts.
Im Jahr 1900 bezieht das Unternehmen Hugo Hopfe (ohne Bischoff) die neue Produktionsstätte in der Brückenstraße 13a II und hat erstmals einen eigenen Eintrag im Berliner Adressbuch, ebenso die Firma Paul Bischoff (ohne Hopfe).

Die Textilindustrie ist zu dieser Zeit eines der wichtigsten Exportgeschäfte Berliner Produktionsbetriebe. Die Hugo Hopfe Nähseidenfabrik verdient sich 1903 eine Medaille bei der Internationale Tentoonstelling van Schoen- en Leder-Industrie in Waalwijk, Brabant; die Medaille schmückt fürderhin das Firmenbrief-papier. Das stolze Fabrikgebäude auf diesem Briefkopf beherbergt tatsächlich nicht nur die Firma Hopfe, sondern ein knappes Dutzend weiterer Betriebe, Manufakturen und Büros, wie aus den Eintragungen über die Besitzverhältnisse des Hauses Brückenstraße 13a in den Berliner Adressbüchern hervorgeht.
In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts wächst Berlin zu einer Weltstadt, die Industrieproduktion erreicht ein nie gekanntes Maß, wir müssen davon ausgehen, dass die Geschäfte der Hugo Hopfe Nähseidenfabrik blendend gingen. Die nächste wirkliche Spur des Unternehmens ist dennoch eine traurige – der Harrisburg Telegraph aus Pennsylvania, USA berichtet am Dienstag, den 13. Mai 1924 auf Seite 20: „Mrs. C. William Prettyman, 137 West Louther Street, has received word of the death of her father, Hugo Hopfe, who died at Berlin, Germany. He was a business man at the German capital and had visited his daughter here.“

Die Firma wurde nach dem Tod des Gründers von zwei Hopfes weitergeführt: Hugo (der Junior? Das Berliner Adressbuch verbürgt seine Existenz, aber nicht den Verwandtschaftsgrad) und Willi Hopfe. Der erste Weltkrieg, der Sturz des Kaisers, die Novemberrevolution, die turbulente Weimarer Republik und die Nazidiktatur – die einzigen Spuren, welche die Firma Hugo Hopfe hinterlässt, sind die jährlichen Eintragungen in das Berliner Adressbuch.
Das Unternehmen ist nachweislich bis 1943 am Standort Brückenstraße 13a tätig, vermutlich auch darüber hinaus. Das Grundstück weist heute keine Bebauung mehr auf, die an das alte Firmengebäude erinnert; ob ein Bombentreffer oder Abrissarbeiten nach dem Krieg dafür die Ursache sind oder beides, lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln. Sicher ist, dass die Firma Hugo Hopfe den Standort im zu Kriegsende und danach sowjetischen Sektor verlässt und sich in Neukölln neu ansiedelt.

Die Firma taucht 1951 erstmals nach dem Krieg wieder in Unterlagen der IHK mit der neuen Mitgliedsnummer 149/31/7 auf. Die Geschäftsadresse ist jetzt die Kienitzer Straße 98 in Neukölln. Willy Hopfe wandelt die Firma im Juli des Jahres in eine Kommanditgesellschaft um; in den nächsten Jahren findet er neue Investoren, die den Betrieb bis Mitte der 1960er Jahre am Leben erhalten.
Die Zahl der Angestellten vergrößert sich bis 1957 von 6 auf 15 Mitarbeiter. Zeichnungsberechtigt ist Herr Heinz Herwig. Dieser bemüht sich um Aufnahme der Firma in das ABC der Westberliner Wirtschaft. Die Firma ist außerdem Mitglied der Vereinigung der Textilindustrie von Berlin e.V. Als Fabrikationsprogramm werden folgende Artikel angegeben: „Nähgarne aus Baumwolle, Schappe- und Naturseiden für Industrie und Handwerk, sowie Spezialgarne für die Bekleidungsindustrie.“

„Im Zuge der Erweiterung unseres Betriebes haben wir heute den Geschäftssitz unserer Firma in größere Räume verlegt.“ verkündet 1957 stolz eine Visitenkarte aus feinstem Büttenkarton. Die Firma hat ihren Sitz nun am Mehringdamm 33, Industriehof Aufgang 3 in Kreuzberg SW 61 (Anm.: das ist schräg gegenüber von Curry 36, falls Sie einmal in der Gegend sind).
Im Mai 1957 wird eine Filiale in Steglitz, Siemensstraße 27, aktenkundig. Frau Charlotte Herwig geb. Wappler, Gattin des Zeichnungsberechtigten, tritt als persönlich haftende Gesellschafterin in die Kommanditgesellschaft ein.
Das Amtsgericht Charlottenburg bescheinigt 1958 das Ausscheiden des KaufmannsWilly Hopfe als Kommanditist, er tritt gleichzeitig als persönlich haftender Gesellschafter ein. Frau Herwig macht es umgekehrt und bringt 10.000 DM als Einlage mit, ebenso der Kaufmann Jürgen Kartzke. Herr Kartzke und Frau Herwig haben außerdem Einzelprokura.

In einer vertraulichen Mitteilung der Industrie- und Handelskammer zu Berlin ist nachzulesen, dass die Firma Hugo Hopfe mit 25 Angestellten im Jahre 1963 einen Umsatz von 1,5 Millionen DM erwirtschaftet hat. Hanne Tielenz ist mittlerweile Kommanditistin mit einer Einlage von 15.000 DM. Der Familie Tielenz gehört die Firma Amman & Söhne KG in Bönnigheim (Württemberg). Sie haben Pläne in Berlin.
1965 ist die Firma ist vollständig im Besitz von Amman & Söhne KG, einem der „führenden deutschen Herstellern von Industrienähgarnen“, so Herr Tielenz. Willy Hopfe erklärt im März sein Ausscheiden aus der Firma zum 01. April; er ist zu diesem Zeitpunkt 61 Jahre alt und mit ihm verlässt der letzte Träger des Firmennamens das Geschäft. Der Betrieb, der zu diesem Zeitpunkt ca. 50 Mitarbeiter beschäftigt, soll unter neuer Leitung nicht nur erweitert werden, der neue Besitzer erwägt außerdem den Bau eines eigenen Werkes in Zusammenarbeit mit dem Adolff-Konzern.

Die Steglitzer Filiale der Hugo Hopfe Nähseidenfabrik wird im Oktober 1967 wieder aufgegeben. Der Firmensitz wird vom Mehringdamm in Kreuzberg in die Gutenbergstraße 7 in Tiergarten verlegt, der Kreuzberger Betrieb besteht aber zunächst weiter. Der „selbständige Betrieb eines stehenden Gewerbes“ wird 1970 vom Mehringdamm 33 an das Paul-Lincke-Ufer-41 in Kreuzberg SO 36 verlegt.
Am 18. Januar 1971 bittet die Bundesschuldenverwaltung die IHK zu Berlin um Amtshilfe – ein Brief an die Adresse der Fa. Hugo Hopfe am Mehringdamm kam mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ zurück! Die IHK kann helfen. Es ist der Anfang vom Ende des Traditionsbetriebs.
Tatsächlich meldet ein Herr Blumenthal vom Bezirksamt Kreuzberg das Gewerbe am Paul-Lincke-Ufer zum 23.09.1971 ab, weil es „nach unseren Ermittlungen an der bisherigen Betriebsstätte seit längerer Zeit nicht mehr ausgeübt wird“

Am 18.01.1973 erlischt der Handelsregistereintrag (Abteilung A, Nr. 104) der Firma Hugo Hopfe.

Quellen:

HUGO HOPFE NÄHSEIDENFABRIK. Firmenbriefkopf von 1919: BBWA S7/608

alle Adressangaben vor 1951:
BERLINER ADRESSBÜCHER: Verfügbar in: http://www.zlb.de/besondere-angebote/berliner-adressbuecher.html (letzter Zugriff: 18.12.2014)

alle Firmendaten ab 1951:
Firmenakte im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv: BBWA, K1/1/2601;

Publikationen:
BERGNER, C.H. (Hrsg.): The Harrisburg Telegraph (1924-05-13), S. 20. Verfügbar in: http://www.newspapers.com/newspage/40656334/ (letzter Zugriff: 18.12.2014)
ERBE,MICHAEL: Berlin im Kaiserreich (1871-1918). In: Geschichte Berlins. Zweiter Band. Von der Märzrevolution bis zur Gegenwart, 2. durchgesehene Auflage, München: C.H. Beck, 1988, S. 722

Geschrieben von Kurt Kreikenbom

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