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Der Vorhang fällt – 9 Wochen Praktikum sind vorbei

Nun ja. Wie ich festgestellt habe, sind die 9 Wochen Praktikum im BBWA mit dem morgigen Tage beendet. Zum Schluss heißt es immer Bilanz zu ziehen. Doch das kommt etwas später. Immer schön der Reihe nach.

Renaissance-Theater: “Die Lästerschule” vom 25.05.1961 (BBWA S2/02/133,20)

In den letzten Tagen wurde ich damit betraut den Nachlass einer Dame zu sortieren und zu archivieren, die es sich scheinbar zum Lebensziel gemacht hat, innerhalb ihres irdisches Daseins sämtliche Kultureinrichtungen unserer Stadt zu besuchen und dies anhand von Broschüren, Faltblättern und Handzetteln der Nachwelt zu hinterlassen und als Beweis für ihre dortige Anwesenheit zu belegen. Für mich hieß das zunächst dass ich 2 Tage damit beschäftigt war die Kisten und Taschen von ihrem Inhalt zu befreien und auf dem Tisch zu stapeln. Es ergaben sich ungelogen ca. 25 – 30 mehr oder weniger große Konvolute mit mehr oder weniger für mich bekannten Kultureinrichtungen und die Erkenntnis, dass Berlin nicht nur aus China Restaurants, Dönerläden, Autohäusern und Spielautomatencasinos besteht. Von den Schmerzen der unteren Extremitäten ganz zu schweigen, da ich diese Tätigkeit im Stehen ausüben wollte. Aber zurück zum Thema. Es war schon beeindruckend, wie eine über Jahrzehnte lange Freude am Theater, der Oper sowie dem Kabarett bei ihr erhalten blieb. Und es stellte sich für mich anschließend die Frage nach dem warum. Ist es eine Hinwendung zum Schönen oder ist es eine Ablenkung von den Alltagssorgen? Eine Verneigung vor dem Können der dort Schaffenden sowie die Möglichkeit, wenn auch nur kurz, sich gedanklich in ein Paralleluniversum zu begeben. Im Grunde stellt sich die Frage aber nicht. Jeder hat das Seine und ich würde aus dem Frage- und Antwortspiel keinen Ausweg finden.

Wiederum begann für mich eine kleine Zeitreise. Angefangen von den Darstellern, die mir nur partiell bekannt waren. Von Theatern, die ich schon selbst aufgesucht habe, sei es viele Jahrzehnte später und der darin enthaltenen Werbung die mich als Kind, wenn auch unfreiwillig, stets begleitet hat. Viele dieser Künstler weilen nicht mehr unter uns und einige Einrichtungen sind längst geschlossen und aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Viele der dort aufgeführten Unternehmen sind Vergangenheit und nur noch in Archiven und Nachschlagewerken auffindbar oder haben ihre Pforten geschlossen. Irgendwie schade, weil es ein Teil des Gesichtes einer Stadt, einer Generation und eine Epoche der Kunst war, die, wenn ich sie hier nicht auf dem Tisch zu liegen hätte, auch mir vorenthalten worden wäre.
Diese kleine Kulturreise konnte ich aufgrund der Fülle des Materials leider nicht mehr zu Ende bringen. Dies wird ein Nachfolger tun und – abhängig vom Alter – anderes empfinden. Das ist auch gut so, da ein jeder Mensch seine Umwelt sehr unterschiedlich interpretiert.

Nun zum Abschluss noch zu meinem Praktikum:
Tja. Wo fange ich an. Am besten mit dem Ende. Die neun Wochen waren für mich eine Bereicherung verbunden mit der Erkenntnis, dass ich oft an Grenzen gestoßen bin, mir die nötige Konzentration fehlte. Seien es die die Akten der Firma Goth, das unendliche Sortieren von Zirkusprospekten, Kultureinrichtungen in Berlin und Brandenburg die im Archiv eine neue Heimat gefunden haben, dem Ausheben von Archivmaterial und letztendlich der Umgang mit Datenbanken, der für mich Neuland bedeutete.

Deutsche Staatsoper Berlin: Wozzeck, 1956 (BBWA S2/02/112,2)

Ich wurde hier sehr gut betreut. Meine Fragen fanden immer eine Antwort. Die Gespräche empfand ich als spannend und als Möglichkeit, mich auf andere Ebenen zu begeben. Meine Vorstellung, dass dieser Berufszweig noch sehr antiquiert ist, fand kaum Bestätigung. Dafür bin ich den beiden Protagonisten, Frau Estler-Ziegler und Herrn Berghausen, sehr dankbar.
Was ist am Ende eine neunwöchigen Praktikums noch erwähnenswert. Die alten Gemäuer werden mir ein wenig fehlen. Die 67 Stufen, die, bei aller Anstrengung, lohnenswert sind, für jeden Nutzer, Besucher und Praktikanten. Industriekultur in Gebäuden einer Zeit, die es noch intensiver erscheinen lassen, das Gefühl, sich mittendrin in diesem Prozess der Archivierung zu befinden.

Ich werde hier Vieles vergessen haben zu erwähnen, dessen bin ich mir bewusst. Ich bitte um Absolution. Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal bei allen Beteiligten hier bedanken. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen. Auch bei Frau Rix, die mir mit Rat und Tat zur Seite stand und statt meiner am Mittwoch und Donnerstag den Kaffee gekocht hat.
Nun will ich aber enden. Die Erinnerung wird bleiben. Und das ist gut so. Vielleicht kreuzen sich noch einmal unsere Wege, denn: „Niemand ist vergessen“

Gunnar Ströhl

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