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Unter der Lupe – Auch der spannendste Recherchekurs hat ein Ende

Die letzten Stunden sind angebrochen. Für die Teilnehmer/-innen des Recherchekurses der indisoft GmbH ist heute der letzte Tag bei uns im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv. Es wurde gegoogelt, in digitalen Zeitschriften und Zeitungen gestöbert, sich durch die Berliner Adressbücher mit ihren eingeschränkten Suchmöglichkeiten gequält, die Unternehmensakten der IHK und die unterschiedlichsten Sammlungen in unserem Magazin durchwühlt, die Augias-Suche und die Bestände im Landesarchiv bemüht, Unterlagen im Archiv und Bibliothek des Deutschen Technikmuseum eingesehen, Zeitzeugen interviewt und in Heimatmuseen sowie –vereinen noch nach einem letzten möglichen Hinweis zu dem jeweiligen Unternehmen gefahndet.

Auch Bildrechte spielten für viele der Teilnehmenden eine Rolle. Was darf ich für den Archivspiegel verwenden? Wen muss ich anrufen oder anschreiben, um das eine oder andere Foto zu verwenden? Das waren die Fragen, mit denen sich die Auszubildenden beschäftigen mussten. Wir (die Archivmitarbeiter) haben uns sehr gefreut, dass die angefragten Institutionen unser Projekt durch die zweckgebundene Freigabe ihrer Fotografien unterstützt haben.

Wir haben diese zwei Wochen sehr intensiv vorbereitet, haben Unternehmen ausgesucht, von denen wir wussten, dass etwas zu finden sein wird, und trotzdem gab es auch diesmal wieder einige Überraschungen: Archive, die für Monate geschlossen sind, Firmenjubiläumsschriften, die nicht in Berlin vorhanden sind, und verschwundene Akten. Ich (als Dozentin) war erstaunt, wie gut die Teilnehmenden mit solchen Lücken umgegangen sind und dass sie nicht den Mut verloren haben.

Wie die Teilnehmenden selbst die Archivrecherche empfanden:

Broschüre aus der Unternehmensmitgliedsakte der IHK (BBWA K 1/1/35335)

Da sind die Hüttenwerke Tempelhof A. Meyer, die zunächst in mehreren mit Kohle befeuerten Schacht- und Flammöfen aus Metallschrott, Schlacken und sonstigen Rückständen Kupfer, Blei und Zinn sowie verschiedene Legierungen daraus herstellten:

„Ich bekam meine Rechercheaufgabe von Frau Estler-Ziegler und ich muss gestehen, dass ich nicht sehr begeistert war. Die Hüttenwerke Tempelhof A. Meyer waren, wie sich jedoch später herausstellten sollte, ein sehr interessantes Thema. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Recherche wurde ich im Landesarchiv Berlin fündig. Ein Stapel Akten, der nur darauf wartete, von mir bearbeitet zu werden, führte am Ende zu einer, wie ich finde, interessanten Reise zurück in die Vergangenheit und die Geschichte eines jüdischen Unternehmens in Berlin.“

Werbezettel aus dem Bestand H. Wundrich (BBWA U 6/8)

Zu Hermann Wundrichs Futtermittel-Großhandlung in Lichtenrade war zwar zunächst einiges im Internet zu finden, aber die Aktenlage ist sehr schlecht. Da er als Chronist von Lichtenrade stark am sozialen Leben in diesem Stadtteil teilgenommen hat, waren es hier die Zeitzeugenbefragungen, die weitere Informationen zu Tage brachten:

„Für mich waren es zwei sehr interessante und aufschluss-reiche Wochen. Ein Teilbereich des Aufgabenfeldes eines Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, den ich gerne weiterverfolgen möchte, um vielleicht später dort beruflich tätig zu sein. Während der zweiwöchigen Recherchezeit hatte ich das Gefühl, als Detektiv unterwegs zu sein, was die Aufgabe sehr spannend gestaltete.“

Werbeanzeige, Nordberliner von 1973 (BBWA K 1/1/1073)

Die Schalter- und Fahrkartendruckmaschinen der H. Pautze & Co. Maschinenfabrik aus Reinickendorf sind bei Liebhabern immer noch sehr bekannt, und es gibt sogar ein YouTube-Film dazu:

„Meine Recherche begann im «World Wide Web», wo ich zunächst ganz wenig zu Pautze & Co. gefunden habe. Die Akten im BBWA und im Landesarchiv boten hingegen so viele Informationen, dass ich große Schwierigkeiten hatte, das Wichtigste und zugleich Informativste auszuwählen. Auch das Texten war für mich, als Ungeübte, nicht so einfach. Manchmal war ich am Verzweifeln, aber am Ende finde ich es selbst erstaunlich, was ich alles über den damaligen Fabrikanten herausfinden konnte, und bin stolz über das, was ich in den wenigen Tagen zustande gebracht habe.“

Papiertüte (BBWA S 2/13/206)

Heintze & Blanckertz nennen sich selbst die „Erste deutsche Stahlfederfabrik“. Schauen Sie in Ihrem Schreibtisch nach alten Schreibfedern, und Sie werden auf dieses ehemals in Berlin-Friedrichshain angesiedelte Unternehmen stoßen:

Bei der Recherche hatte ich vor allem das Problem von unterschiedlichen Angaben zu Gründungsdatum und Adressen der Firma. Die gemachten Angaben können nun aber als relativ sicher eingestuft werden. Besonders ergiebig war die Recherche im Landesarchiv Berlin. Die Deutsche Treuhandverwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Vermögens im sowjetischen Besatzungsssektor der Stadt Berlin hatte die Unternehmensgeschichte zwischen 1933 und 1949 gut dokumentiert. Für die Zeit davor halfen besonders die Berliner Adressbücher weiter.

Briefkopf aus dem Bestand Eberswalder Brauerei (BBWA U 3/20)

Das Bier der Eberswalder Brauerei soll nach Aussagen von Kennern nicht das Schmackhafteste gewesen sein. Die Aktenlage hingegen war besonders gut:

„Wenn man an Leckeres aus Eberswalde denkt, kommt man an Spritzkuchen und Bier nicht vorbei.
Schon zu Zeiten Wallensteins genoss man gutes Eberswalder Bier.
Die Recherche zur Eberswalder Brauerei war für mich als Eberswalder natürlich eine Gelegenheit, in die Geschichte rund um Fuhrmatz und Goldbier einzutauchen. Dies ist mir leichtgefallen, weil es zur Brauereigeschichte umfangreiches Material gibt.“

Vorderseite einer Werbebroschüre (BBWA S 2/13/166)

Obwohl das Unternehmen Schwintzer & Gräff Lichtträger in jeder Veröffentlichung zum Bauhaus genannt wird, weil sie die Tischleuchte WG 24 von Wilhelm Wagenfeld produziert haben, ist die Aktenlage katastrophal:

„Aus der 80-Jährigen Tätigkeit der Firma Schwintzer & Gräff Lichtträger sind keine Akten erhalten. Die Suche nach Informationen konnte ich nur teilweise erfüllen. Online gibt es ebenfalls wenig Auskünfte. Um die gesamte Geschichte zu erzählen, hätte ich wahrscheinlich noch viele Wochen mit der Recherche verbringen können. Ich habe nur vereinzelt Materialien gefunden und diese waren nicht immer von Belang. Besonders wichtig war eine Festschrift von Schwintzer & Gräff zum 50. Jubiläum, die im Bestand des Archivs der Stiftung Deutsches Technikmuseum vorhanden ist. Die Ergebnisse, die ich demnächst veröffentlichen werde, umfassen eine sehr lückenhafte Teilgeschichte eines Unternehmens, das angesichts seiner damaligen Größe und Wichtigkeit noch weitere Widmung verdient.“

Teil einer Postkarte (BBWA S 2/13/198)

Schokolade ist immer ein schönes Thema. Im Fall der Kakao- und Schokoladenfabrik Theodor Hildebrand, die in der Nähe des Roten Rathauses angesiedelt war, ist nicht nur die Aktenlage gut gewesen, sondern viele Interessierte haben hierüber schon veröffentlicht. Das „Eindampfen“ der gewonnenen Informationen ist hier die eigentliche Herausforderung:

„Nach monatelanger Theorie war ich ganz begierig darauf, endlich wieder mal etwas Reales in Angriff zu nehmen. Als erstes Ausgangsmaterial stand mir in den ersten zwei Tagen nur eine Postkarte mit unterschiedlichen Schriftzügen der Firma Hildebrand zur Verfügung, doch im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv und im Landesarchiv fand sich dann jede Menge Material. Sehr zeitaufwendig gestaltete sich das Durcharbeiten der vielen handschriftlichen Dokumente. Trotz aller Widrigkeiten waren es zwei spannende und lehrreiche Wochen.“

Werbeanzeige von 1925 (BBWA S 2/13/166)

Über die graphische Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. wurde einiges veröffentlicht, dummerweisen haben sie als Verlag gefühlt tausende von Büchern und Plakaten herausgegeben, was eine Recherche sehr schwierig gestaltete:

„Das Internet, die Archive und Bibliotheken hatten so einiges über Georg Meisenbach (Erfinder der Autotypie) und seine Firma Meisenbach, Riffarth & C.o zu berichten, jedoch waren die Informationen alle recht ähnlich und weitesgehend auf seine Erfindung und die Anfangsjahre der Firma bezogen. Ich musste also ein wenig tiefer graben, um die Geschichten zu finden, die nicht schon hundert Mal erzählt worden sind. Besonders aber Heinrich Riffarth bereitete mir Sorgen, sein beruflicher Werdegang ist zwar dokumentiert, jedoch ist so gut wie gar nichts über ihn als Privatmensch zu finden. Nach einigen Mühen fand ich jedoch auch eine Information über ihn, die nicht allgemein bekannt ist und uns den Menschen Riffarth vielleicht etwas näherbringt.“

Briefkopf von 1961 (BBWA K 1/1/3234)

Aufzüge, Hebebühnen, Winden, Kräne, Treppenautomaten, Fernschalter u. ä. stellte das Kreuzberger Unternehmen Armin Tenner her:

„Glücklicherweise ist die Firma Armin Tenner relativ gut dokumentiert. Merkwürdig war allerdings, dass einige Dokumente bis in die 1950er Jahre anscheinend von Armin Tenner persönlich unterschrieben waren, obwohl er im Handelsregister (1899 – 1966) nirgendwo als natürliche Person vorkam. Außerdem müsste er zum Zeitpunkt seiner letzten Unterschrift etwa 100 Jahre alt gewesen sein.“

Werbeanzeige von 1925 (BBWA S 2/13/166)

Möbel für gehobene Design- und Komfortansprüche stellte das jüdische Unternehmen Richard Hecht & Co. in Friedrichhain her. Seine Spezialität waren Ofenlack-Schlafzimmer (Töchterzimmer/Babyzimmer) sowie eichene Herren- und Speisezimmer:

„Der erste Anhaltspunkt zur Unternehmensgeschichte war eine Werbeanzeige aus der Zeitschrift «Innendekorateur» von 1925. Zu Beginn meiner Recherche hatte ich zunächst große Schwierigkeiten und konnte mir nicht vorstellen, dass ich etwas Brauchbares über das Unternehmen finden würde. Erst die Recherche im Internet und den Berliner Adressbüchern brachte etwas Licht ins Dunkle. Dann im BBWA und Landesarchiv wurde das Rätsel peu á peu gelöst. Die Aktenfülle und -menge war überschaubar aber dennoch informativ. Am Ende der Recherche wurde das Unternehmen Richard Hecht & Co. Möbel-Fabriken aus seinem Schattendasein ans Tageslicht gebracht. Für mich gestaltete sich die Recherche manchmal als frustrierend, aber gleichzeitig als sehr spannend und lehrreich.“

Briefkopf von 1907 (BBWA S 2/7/672)

Die prächtige Gestaltung ihrer Briefköpfe machte die Kreuzberger Metallwarenfabrik Kemper & Damhorst zunächst zu einem lohnenswerten Thema. Spirituskocher und Küchenheizer waren eine Spezialität des Unternehmens:

„Informationen über das Unternehmen Kemper & Damhorst sind leider gering und auch unvollständig. Im Landesarchiv Berlin gibt es nur eine Akte. Diese gibt aber wenigstens genügend Hinweise, um den Werdegang der Firma ein wenig nachvollziehen zu können. Allerdings habe ich so gut wie nichts über die beteiligten Personen erfahren. Ich finde es schade, dass man keine weiteren Spuren der Firma und der Beteiligten findet. Die Recherche zur Vergangenheit bleibt mit offenen Fragen zurück.“

Wertpapier von 1934 (BBWA S 2/16/509)

Am schwierigsten gestaltete sich die Recherche zu dem Marienfelder Unternehmen Heinrich Kämper Motorenfabrik AG:

„Die Recherche gestaltete sich in meinem Fall und für mein Empfinden als ziemlich schwierig und frustrierend. Man könnte es mit Alice vergleichen, die dem weißen Kaninchen hinterherjagt, es aber nie einholt. Die spärlichen Quellen brachten mich zwar immer ein winziges Stückchen weiter, warfen aber immer wieder neue Fragen auf, weil sie sich u.a. widersprachen oder aber eigenwillige Fakten hervorbrachten. Ich fragte mich immer wieder: Wo hat diese oder jene Quelle eigentlich ihre Informationen her? Zum anderen waren andere verheißungsvolle Quellen gar nicht erst zugänglich, weil sie z.B. in München lagen oder weil das betreffende Archiv mehrere Wochen lang geschlossen war. Irgendwann kristallisierte sich jedoch eine Art Hauptpool oder auch eine Grundübereinstimmung an Informationen heraus, mit denen man den Nebel wenigstens zu einem gewissen Teil beiseiteschieben konnte. Das Kaninchen war immer noch außerhalb der Reichweite, aber ich war ihm ein wenig nähergekommen.“

Wertpapier von 1928 (BBWA S 2/16/469)

Die Produktion von Gas- und Wasser-Armaturen, Bierarmaturen und Ausschankanlagen war das Metier des Reinickendorfer Unternehmens Gebr. Krüger & Co. AG:

 „Die ersten Rechercheergebnisse im Internet waren eher bescheiden. Bis auf entwertete Aktien der Gebrüder Krüger & Co. AG, die zum Verkauf angeboten wurden, habe ich leider nur sehr wenig über sie herausfinden können. Umso glücklicher war ich, dass das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv, das Landesarchiv und die Zentral- und Landesbibliothek Akten und Publikationen über die Gebr. Krüger & Co. AG in ihren Beständen haben. Aufgrund der plötzlichen Fülle von Informationen erscheint mir die Zeit zum Sichten der Akten und Verfassen eines Blogbeitrags etwas kurz.“

Die Rechercheergebnisse werden in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Achten Sie auf die Rubrik „Unter der Lupe“.

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