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Gedenktafel für DDG-Archivgründer Albrecht Scholz

Am 24. März vor fünf Jahren verstarb Prof. Dr. Albrecht Scholz, dem die Deutsche Dermatologische Gesellschaft die Gründung eines DDG-Archivs verdankt. Scholz war nicht nur Dermatologe, sondern auch Wissenschaftshistoriker, Chronist seiner Zunft und Biograph zahlreicher bedeutender Dermatologen, insbesondere auch der jüdischen Hautärzte, die im Nationalsozialismus verfolgt, ermordet oder ins Exil getrieben wurden.Zu Ehren von Prof. Scholz enthüllten dessen Witwe, der ehemalige Präsident der DDG Rudolf Stadler sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Dermatologie und Venerologie Volker Wendt eine Gedenktafel, die ihren Platz im Magazin des Wirtschaftsarchivs gefunden hat. Hier wird sie flankiert vom Buchbestand des DDG-Archivs, das als Archiv eines Berufsverbandes ins Wirtschaftsarchiv gefunden hat, wo Nachlieferungen aus Nachlässen bedeutender Dermatologen den Bestand ständig erweitern. Im Folgenden veröffentlichen wir die Gedenkrede von Herrn Prof. Stadler mit freundlicher Genehmigung.

Ansprache von Prof. Stadler

Sehr geehrte, liebe Frau Dr. Scholz,
sehr geehrter Herr Berghausen,
sehr geehrter Herr Wendt,
sehr geehrte Familie Scholz,
sehr geehrte Festversammlung,

Prof. Dr. Rudolf Stadler (Foto: BBWA)

Prof. Dr. Rudolf Stadler (Foto: BBWA)

wir sind heute hier in Berlin, an einem Ort, der das historische Archiv der DDG in Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv beheimatet, zusammengekommen.

Es ist mir ein persönliches Anliegen und eine große Ehre an diesem 5. Todestag von Herrn Prof. Dr. med. Albrecht Scholz an sein Leben, Wirken und sein Engagement für die Deutsche Dermatologische Gesellschaft zu erinnern.

Meine erste Begegnung mit Albrecht Scholz datiert in das Jahr 1985. Es gab eine Begegnung zwischen der Dresdner Hautklinik und dem damaligen Direktor Prof. Barth und der Universitäts-Hautklinik; Klinikum Steglitz der FU Berlin unter der Leitung von Prof. Orfanos. Die Oberärzte der jeweiligen Kliniken durften teilnehmen.

Ich traf den Menschen und Kollegen Albrecht Scholz, der mir durch sein ruhiges und distinguiertes Verhalten auffiel, der mich gleich auch an die Bedeutung Dresdens als Standort internationaler Kunst erinnerte und sich erfreulich von der sonst technokratischen Atmosphäre und Distanziertheit, die damals herrschte, abhob. Wie Sie wissen und sich erinnern können, waren die Kontakte zur damaligen Zeit unter Oberärzten jenseits unserer deutsch-deutschen Grenzen schwierig.

Es war dem nationalen Ereignis überlassen, wo von wir damals nur träumen konnten, dass 1990 die deutsche Wiedervereinigung vollzogen wurde. Und um Will Brandts Worte zu zitieren: “Es wächst zusammen, was zusammengehört.”

Bevor ich aber auf die weiteren gemeinsamen Erlebnisse mit Prof. Scholz eingehe, erlauben Sie mir an sein Leben zu erinnern.

Prof. Scholz wurde am 6. September 1940 als jüngstes von vier Kindern im niederschlesischen Görlitz geboren. Hier besuchte er das Gymnasium bis zum Abitur; das Umfeld mit der großen Familie und das berufliche Engagement seines Vaters als HNO-Arzt hatten ihn bleibend geprägt. Zum Medizinstudium ging Albrecht Scholz 1958 an die Humboldt-Universität; bereits dort, noch ohne Mauer, war er in den Museen des Westens und im Osten ständiger Gast. Für die klinischen Semester kam er 1961 nach Dresden an die Medizinische Akademie Carl Gustav Carus, seit 1993 Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität. Hier war Albrecht Scholz bis zu seinem Tod im Dresdner Stadtteil Blasewitz im Waldpark zuhause.

Seine fachspezifische Ausbildung erfuhr Albrecht Scholz 1966 unter dem Ordinat von Prof. Kleine-Natrop, einem Dermatologen mit viel Kunstsinn. Bereits während der Weiterbildung, die er mit der Anerkennung als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten 1969 abschloss, profilierte er sich in zwei Richtungen, in die ambulante operative Dermatologie und in die andere die Geschichte der Dermatologie. Zur Verwirklichung seiner Ideen und Konzepte in der Medizingeschichte und darstellenden Kunst fand er eine engagierte Mitstreiterin in seiner Ehefrau Frau Dr. med. Ingrid Scholz, die selbst viele Jahre als praktizierende Fachärztin für Allgemeinmedizin tätig war. 1981 habilitierte sich Albrecht Scholz zur “Methodik der Kryochirurgie des Basalioms”. Im gleichen Jahr trat er das Amt des Leiters der Hautabteilung der Poliklinik an. Bis zur Berufung als Ordinarius für Medizingeschichte 1996 baute er über 15 Jahre schrittweise die Bereiche der ambulanten Dermatochirurgie, einschließlich der Kryochirurgie, der Lasertherapie, Phlebologie und die psychosomatische Dermatologie auf und aus. Seine Fachkompetenz mit einer florierenden Poliklinik und die kontinuierliche publizistische Tätigkeit mussten auch von der sozialistischen Einheitspartei (SED) zähneknirschend anerkannt werden, so dass der parteilose Scholz 1985 die Dozentur für Dermatologie erhielt.

Prof. Dr. Albrecht Scholz (1940-2013) (Foto: Bettina Schöner, Dresden)

Prof. Dr. Albrecht Scholz (1940-2013) (Foto: Bettina Schöner, Dresden)

Sein Herz schlug jedoch für die Geschichte der Dermatologie, die Bedeutung jüdischer Ärzte für die Dermatologie war ihm von Beginn eine Herzensachse. Keiner im deutschsprachigen Raum kannte die Geschichte der deutschen Dermatologie besser als Albrecht Scholz. Es war daher naheliegend, auf den Spuren von Albert Neisser, des Vaters der deutschsprachigen Dermatologie zu wandeln. Dies führte ihn mehrfach, mindestens 20 Mal, nach Breslau/Wroclaw.

Die enge Verbundenheit zur polnischen Dermatologie führen zwangsläufig zur Präsidentschaft der Deutsch-Polnischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin zwischen 1997 und 2001. Zum 150jährigen Geburtstag in Breslau hielt Albrecht Scholz 2005 die erste Albert-Neisser-Gedächtnisvorlesung. Im Jahr 2009 wurde Albrecht Scholz, der die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Dermatologie und Venerologie mitbegründete, zum Ehrenmitglied ernannt.

Albrecht Scholz wurde für seine in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnenen Bemühungen um die Aufarbeitung jüdischer Dermatologen-Lebensläufe 1983 mit dem Samuel Zakan Award, 1991 in Dallas/Texas mit einer Honorarable Mention der History of Dermatology Society sowie der Karl-Linser-Medaille geehrt.

1996 ging für Prof. Albrecht Scholz ein Traum in Erfüllung. Er wurde als C4-Professor für Geschichte der Medizin sowie als Direktor des Institutes für Geschichte der Medizin an die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden berufen, getragen von der Erkenntnis, dass er, wie kein anderer, ein Kenner der osteuropäischen Medizingeschichte war.

Er baute in seiner Funktion als Direktor des Institutes eine eindrucksvolle Sammlung von Malerei, Zeichnungen und Druckgrafiken auf, die die Thematik “Arzt, Patient und Krankheit in der Kunst”, einen für Dresden spezifischen Charakter, vereinten. Unter seiner Leitung konnten mehr als 700 künstlerische Arbeiten erworben und katalogisiert werden, unter anderem mit Blättern von Lovis Corinth, Käthe Kollwitz und Max Liebermann.

Ein umfangreicher Freundeskreis aus dem Dresdener Raum unterstütze Albrecht Scholz, um nur einen Namen zu nennen, Hans Joachim Neidhardt, Kustos an der Gemäldegalerie Neue Meister in Dresden, aber auch viele andere.

In unserer technisierten, Leitlinien-geprägten Zeit stand Albrecht Scholz für ein anderes ärztliches Berufsbild. Dies wird am besten damit umschrieben, dass der ärztliche Beruf eine Kunst ist, ars medicorum. Es sollte das Anliegen eines jeden sein, sich mit anderen Formen der Kunst auseinanderzusetzen, sei es als Ausübender in der Malerei, als Schriftsteller, in der Musik oder als Sammler von künstlerischen Arbeiten. Es ist die Kunst des Dermatologen, über ein geschultes Auge das Wesentliche zu sehen, wie es schon Goethe formulierte: “Was ist das Schwerste von allem? Was dir am Leichtesten dünkt. Mit den Augen zu sehen, was vor dir liegt.”

Es war das besondere Anliegen von Albrecht Scholz, sich mit ex libris zu beschäftigen, und hierzu fügte er eine respektable Sammlung zusammen und gab sie im Grosse Verlag als ex libris für Hautärzte heraus.

Mir selbst lag ebenso viel an der Verschmelzung von Kunst und Medizin; hierzu tauschten wir uns aus; während meiner Zeit als Generalsekretär und Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft haben wir drei Kunstausstellungen mit der Hochschule für bildende Künster Dresden, zusammen mit Prof. Sery, dem damaligen Direktor der HfBK Dresden, “Kostüm und Maske”, “Haut auf der Grenze zwischen Innen und Außen” sowie “Haut – Oberfläche unter Spannung” und zusammen mit dem Rektor der HfBK Matthias Flügge organisiert. Albrecht Scholz war mir in diesen Jahren ein wertvoller Ratgeber und Unterstützer dieser Projekte, die für die Deutsche Dermatologische Gesellschaft bis dato einzigartig waren und ich bin bis heute dankbar, dass der Vorstand und das Präsidium diese Initiativen unterstützten.

Familie, Freunde und Weggefährten bei der Gedenkfeier im Magazin des BBWA (Foto: BBWA)

Familie, Freunde und Weggefährten bei der Gedenkfeier im Magazin des BBWA (Foto: BBWA)

Es war zwangsläufig so, dass anlässlich der 120-Jahr-Feier der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Prag das Buch der Geschichte der deutschsprachigen Dermatologie erschien, federführend unter der Arbeit von Albrecht Scholz zusammen mit Karl Holubar und Günter Burg. In dem Bemühen, unseren jüdischen Kollegen ein Mindestmaß an Ehre zukommen zu lassen, haben wir zusammen kontinuierlich darauf hingearbeitet, Karl Herxheimer und vielen anderen ungenannten Dermatologen jüdischen Glaubens ihre Würde zurückzugeben.

Im Dezember 2012 hielt er in Frankfurt anlässlich der ersten Karl-Herxheimer-Gedächtsnisvorlesung zu dessen 70. Todestag einen Vortrag, der an die herausragenden Leistungen Karl Herxheimers für unser Fach erinnerte. Es war eine seiner letzten Reisen.

Für mich persönlich waren die Gespräche mit Albrecht Scholz immer bereichernd, immer auch darauf ausgerichtet, die ethischen Aspekte in unserem Fach zu berücksichtigen, das Wohl des Patienten in den Vordergrund zu stellen, die Würde des Menschen zu achten und sein ärztliches Handeln daran auszurichten; mit Verstand, Herz und Seele das Beste als Arzt und Künstler für unsere Patienten zu erreichen. Er war uns ein steter Ratgeber, vor allem auch in dem Ziel, die Erinnerung und den Schatz vieler Generationen an herausragend wirkenden Dermatologen nicht nur zu erhalten, sondern zu pflegen und zu wissen, dass diese auch in verantwortlichen Händen in Ehren gehalten werden.

Es ist Herrn Prof. Albrecht Scholz zu verdanken, dass wir uns heute hier zur Enthüllung der Gedenktafel zu seinen Ehren versammeln. Er hat uns mit unermüdlicher Aktivität unserer Geschäftsstelleleiterin Frau Neuhaus die Möglichkeit eröffnete, dass das historische Archiv der DDG, bestehend aus 112 Akteneinheiten sowie 249 Zeitschriften und Büchern zusammen die Bestandsignatur V2/3 erhalten haben, im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv ihre Heimat gefunden haben. In nachfolgenden Jahren wurden die Bücher und Zeitschriften archiviert und sind in einer Datenbank AUGIAS-Express aufzufinden.

Im Namen des Vorstandes der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft möchte ich Albert Scholz, dem Mitbegründer für die geleistete Pionierarbeit im Aufbau des DDG-Archivs und natürlich auch den Repräsentanten des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs sehr herzlich danken. Sie haben unserer wissenschaftlichen Fachgesellschaft ein Heim für das Schaffen vieler Dermatologen-Generationen gegeben.

Zu den zeitgenössischen Künstlern, die Albrecht Scholz besonders schätzte, gehörte Josef-Heinrich Beuys. Sein Werk ist dem Humanismus gewidmet, nicht zuletzt geprägt durch die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte.

Richard von Weizäcker hat in einem anderen Zitat darauf hingewiesen: “Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart”.

Einer seiner besten Freunde und Wegbegleiter war Prof. Günther Sebastian. Aus seinem Nachruf zu Albrecht Scholz darf ich aus dem Gedicht Abschied von Rainer Maria Rilke (1875-1926) die 1. Strophe zitieren, das Albrecht Scholz besonders am Herzen lag:

Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundenes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.

 

Rudolf Stadler, 24. März 2018

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