Wirtschaftsgeschichte
Schreibe einen Kommentar

Nutella, Tesa, ADDIATOR – ein analoger Taschenrechner als Exportschlager

Nutella, Tesa, Addiator. Dass das eine für Schokoladenaufstrich und das andere für durchsichtige Klebestreifen steht, dürfte allgemein bekannt sein. Diese Marken haben es zu Synonymen ihrer jeweiligen Produktkategorien gebracht.

Addiator-Duplex, 30er Jahre (BBWA-S 13/158)

Der Name „Addiator“ hingegen löst im Jahr 2017 keine derartigen Assoziationen aus und doch gilt hier ähnliches: Lange Zeit stand er gleichbedeutend für Rechenschieber im Allgemeinen.  Der Addiator ermöglichte dem Benutzer das Addieren, Subtrahieren und Saldieren, und zwar für Posten bis zu 10.000.000,00.

Die Firma Addiator Rechenmaschinenfabrik C. Kübler wurde 1920 von Carl Kübler in Berlin gegründet, bis Anfang der 1930er Jahre firmierte sie als Addiator GmbH. Die Tätigkeit des Unternehmens beschrieb Margot Schaffhirt, geborene Kübler, Tochter des Firmengründers, als Großhandel mit Kleinrechenmaschinen und Bürogeräten und Auslieferung. Der Addiator gilt als weltweit erfolgreichster Zahlenschieber, was er nicht zuletzt umfangreichen Werbe- und Vertriebsmaßnahmen zu verdanken hatte.

Addiator Supra (BBWA-S 9/353)

1952 machte das Auslandsgeschäft 40 % der Umsätze aus. Dabei stand es um das Wohl der Firma nach Kriegsende schlecht: Der Verlust eines Verlagerungsbetriebes im Sudetenland und Kriegsschäden hatten tiefe Spuren hinterlassen; etwa vier Fünftel der Kapazität waren verloren gegangen. 1952 jedoch erreichte die Produktivität annähernd Vorkriegsniveau – mit nur etwa 50 % der Belegschaft. Nun wurden Modelle für fast alle Währungen der Welt hergestellt.

Addiator Supra (BBWA-S 9/353)

Neben zahlreichen eigenen Vertretungen in Europa verfügte das Unternehmen auch über eine beachtliche Anzahl in Übersee. 1951 galt dies für Australien, Brasilien, Belgisch-Kongo, China und Hongkong, Neuseeland, Pakistan, Uruguay, USA und Trinidad. Für Hongkong ist sogar ein Plagiatsfall überliefert. Ob und wie die Addiator-Rechenmaschinenfabrik C. Kübler hiergegen vorgegangen ist, verraten die bekannten Quellen jedoch nicht.

Auch eine familiäre Anekdote ist bekannt: Hans-Wolfgang Kübler, Carl Küblers Sohn, erwuchs zum größten Addiator-Konkurrenten. Dabei verliefen die Dinge noch 1949 noch, wie in Unternehmerfamilien üblich: Hans-Wolfgang hatte die Addiator-Niederlassung in Bad Harzburg übernommen. Doch bereits 1950 firmierte diese unter neuem Namen: Addimult Rechenmaschinenfabrik H.-W. Kübler.

Briefkopf von 1963 (BBWA-K 1/1/1052)

Allerdings saß zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Carl Kübler am Addiator-Ruder, sondern seine Tochter Margot. Diese begann dann auch mit der endgültigen Produktionsverlagerung in den Schwarzwald, nach Wolfach. In Berlin wurde eine Zweigniederlassung mit zwei Mitarbeitern eingerichtet. Die Produktionsverlagerung begründete Margot gegenüber der Berliner Industrie- und Handelskammer mit einem „enormen steuerlichen Aderlaß, der durch außergewöhnlich hohe Umsätze 1958 und einen Stop dieses Geschäfts 1959 uns besonders einschneidend traf“ (BBWA, K 1/1 – 1052). Deshalb „musste zur Erhaltung der Firma alles getan werden Fertigung und Vertrieb aufs Äußerste zu rationalisieren. Einsparungsmaßnahmen waren am schnellsten durch vorläufige Konzentrierung der Fertigung in unserem Schwarzwaldbetrieb durchzuführen“ (ebd.). Über 40 Jahre Hauptsitz in Berlin-Charlottenburg gingen so zu Ende.

Werbeblatt zum Addiator Supra (BBWA-S 9/353)

Doch zu alter Größe fand das Unternehmen nie wieder. 1974 wurde in Wolfach der letzte Rechenschieber hergestellt (bis 1990 fertigte die Firma Metallindustrie Gutach GmbH Addiator-Modelle für die USA). Schließlich wurde 1980 die Aufgabe der Firma angezeigt – die Addiator-Rechen-maschinenfabrik C. Kübler existierte nicht mehr. Zum Verhängnis wurde ihr die Marktunterlegenheit eines mechanischen Produktes gegen digitale Konkurrenz.

Text: S. D.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert