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Ein Blick auf den 5. Berliner Archivtag – „Neue Wege der Erschließung“

Am 23.November 2022 fand der 5. Berliner Archivtag statt, wie bereits im Vorjahr wieder als Online-Veranstaltung. Die diesjährige Tagung widmete sich dem Thema „Neue Wege der Erschließung“ und wurde von Prof. Dr. Michael Scholz von der Fachhochschule Potsdam mit dem Vortrag „Zwischen Ansprüchen und Ressourcen. Archivische Erschließung an der Schwelle zum digitalen Zeitalter“ eröffnet.

Leider konnten wir nicht in der gesamten Zeit anwesend sein, aber einige ausgewählte Vorträge haben wir gesehen und gehört.

Einer der Vorträge befasste sich mit „Erschließung und Verschlagwortung für Themenportale“. Dr. Miriam Sprau und Dr. Kevin Dubout vom Bundesarchiv berichteten sehr anschaulich über die Herangehensweise und Herausforderungen beim Aufbau des Portals „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts“.

Im selben Panel hielt Yvonne Reimers einen Vortrag zu „Nutzungsgetriebene Erschließung und Digitalisierung von Sammlung und Archiv des Museums für Naturkunde in Berlin“. In einem Rundumschlag zeigte sie die verschiedenen Sammlungsbestände auf:

  • 30 Millionen Objekte, die sehr vielfältig sind – von Insekt bis zum Dinosaurier, Meteoriten und Mineralien, sowie die sogenannte Naßsammlung.
  • Historische Bild- und Schriftgutsammlung – 500 lfm bestehend aus Schriftgut, Nachlässen, Konvoluten, Bildsammlung und wieder Objekte (z. B. Modelle).

Der Erschließungsstand ist sehr unterschiedlich und somit bietet auch die Recherche unterschiedlichste Möglichkeiten von der Karteikarte bis zu Datensätzen, die sich schon in der Archivdatenbank befinden. Das Projekt „Sammlungserschließung und –entwicklung“ sieht vor, dass in den kommenden zehn Jahren und im Rahmen des Zukunftsplans die Sammlungsobjekte sowie die historische Bild- und Schriftgutsammlung erschlossen und digitalisiert werden sollen.

Innerhalb der Anforderungen des Projektes wurde sich darauf geeinigt, dass die Erschließung einem Minimalstandard unterliegt, um die Massen bewältigen zu können. Die Museumsbesucherinnen und -besucher können sich in der Ausstellung digitize – life science über das Projekt informieren.

Weitere Schlagworte wie Provenienzforschung, Citizen Science, Crowdsourcing, automatische Erschließung, kolonialer Kontext zeigen, dass hier viel Potential für viele weitere und längere Vorträge steckt.

Das Panel „Crowdsourcing“, moderiert von Bianca Welzing-Bräutigam, beinhaltete zwei spannende Vorträge.

Dr. Joachim Kemper vom Stadtarchiv Aschaffenburg stellte in seinem Vortrag „Offenheit und Mitmachen im Archiv – Citizen science am Bayerischen Untermain“ zum einen den „Arbeitskreis Offene Archive“ und seine Entstehung vor. Zum anderen zeigte er, wie in Zusammenarbeit mit der Stadt das Projekt „Stadtarchiv digital“  entstand und welche Vorteile ein „analoger“ Digitalladen als stadtgeschichtlicher Kreativraum für „Aschaffenburg 2.0“ und als Ort der digitalen Stadtkultur hat. Außerdem stellte er das neue digitale Mitmachprojekt „Aschaffenburg 2.0 – unsere Geschichte, unsere Zukunft“ vor, an dem sich alle Aschaffenburger Bürgerinnen und Bürger beteiligen können sowie das Projekt heimat:hub, was 2023 starten wird.

Im zweiten Vortrag „Mitforschen! Schüler*innen als Citizen Scientistst? – Das Beispiel #everynamecounts“ (https://enc.arolsen-archives.org/) stellte Christa Zwilling-Seidenstücker von den Arolsen Archives ein super spannendes Schülerprojekt vor. In den Arolsen Archives befinden sich 30 Millionen Dokumente sowie Hinweise auf die Schicksale von 17,5 Millionen Menschen, die im Dritten Reich verfolgt wurden. 90% der Papierdokumente sind digitalisiert. 26 Schulen beteiligten sich an der Indizierung der Digitalisate. Die Schülerinnen und Schüler entzifferten die Dokumente und gaben in das Citizen Science-Webportal „Zooniverse“ (https://www.zooniverse.org/) in vorgegebene Felder die geforderten Informationen ein. Für die Felder gab es jeweils einen Hilfetext und es gibt ein Video, was die Bearbeiterinnen und Bearbeiter in die Materie einführt. Durch Corona wurde das Projekt erweitert. Inzwischen arbeiten 27.000 Freiwillige mit und die eingegebenen Daten sind zumeist so gut, dass sie nach einer Überprüfung online gestellt werden können.

Die Schülerinnen und Schüler waren so begeistert von dem Projekt, dass sie nicht nur die Daten erschlossen sondern bei Bedarf auch recherchiert haben. Viele Informationen finden sich in einem moderierten Forum, in dem die Community sich austauscht und sich auch gegenseitig hilft. Inzwischen gibt es in diesem Forum 300.000 Kommentare, von denen noch keiner gelöscht werden musste.

Ein großer Vorteil bei diesem Projekt, für das gerade eine neue Plattform entwickelt wird, ist, dass die Arolsen Archives eine internationale Einrichtung und damit nicht an das deutsche Archivrecht gebunden sind. Hier ist es möglich, Dokumente nach 25 Jahren zu veröffentlichen.

Auch über dieses Projekt könnte noch vielmehr erzählt werden, gerne auch in weiteren Vorträgen.

In der „Aktuellen Stunde“ wurden noch kleinere Projekte vorgestellt. Insbesondere ist hier der Vortrag von Steffen Ostermeier und Sandra Neumann zum Aufbau einer Datenbank zum DDR Fotoerbe (https://www.ddrfotoerbe.de/) zu nennen – eine Fotosammlung zur DDR, die auf dem Bildarchiv der “Berliner Zeitung” basiert und noch Archive weiterer Fotografen übernehmen will. Zurzeit findet sich auf der Website der Hinweis auf eine Ausstellung über Verbotene Bilder: Eisenbahnfotografie in der DDR. Lysann Goldbach vom Historischen Archiv der KFW-Bank (https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/F%C3%B6rderauftrag-und-Geschichte/Geschichte-der-KfW/Historisches-Konzernarchiv/) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem Thema, wie in einem großen Unternehmen ein Jubiläum vorbereitet wird.

Unser Eindruck von den besuchten Vorträgen war, dass der Landesverband Berlin im VDA hier eine spannende Mischung zum Thema „Erschließung“ zusammengestellt hat und wir gerne bei einigen Projekten noch viel mehr gehört hätten.

Beate Bohm/Tania Estler-Ziegler

 

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