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Auf der Spur des Tigers

Von Beginn an verfolgen unsere ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen, die fleißig an der Transkription des Nachlasses von Oberzahlmeister Schulze arbeiten, das Schicksal eines Bronze-Tigers, der in den Briefen, die Otto Schulze an seine im Kaiserreich an der Spree verbliebene Verlobte schickte, immer wieder Erwähnung findet. Über den Nachlass wurde im Archivspiegel mehrfach berichtet.

Otto Schulzes Bronzetiger (Foto: BBWA)

Otto Schulzes Bronzetiger (Foto: BBWA)

Mit den Zeilen „Der Bronze-Tiger wird Deinen Beifall finden. Das sind Stücke fürs Leben. Und gerade Bronzen wirken zu Hause so sehr, weil sie enorm teuer sind.” beginnt die Erwähnung des Tigers in Band 11 des Briefnachlasses.

Schulze schreibt von den Geschenken, die er auf seinen Schiffsreisen von Tsingtau in die chinesische Provinz Schantung (Shandong) zusammentragen konnte und mit denen er seiner Verlobten bei der Rückkehr eine Freude machen möchte. Da ist die Rede von Lackschälchen, Stickereien und vielem anderen mehr – und eben von einem Bronze-Tiger, den er mit in die Heimat zurückbringen möchte.

Aus der Arbeit des Transkriptionsprojektes „Oberzahlmeister Schulze”

Als der Tiger in einem späteren Band wieder auftaucht, ist das Unglück schon geschehen. Ein Teilnehmer des Transkriptionsprojektes wies auf die Textstelle hin: „Wir hatten schlechtes Wetter. Das Schiff rollte wie nie zuvor […] Wir änderten den Kurs und bekamen die See so ungünstig schräg von achtern (hinten) […]. Und denke Dir meinen Schmerz, mein Tiger fällt von seinem Tischchen herunter und der Schwanz bricht ab. Die Thränen kamen mir in die Augen”.

In den nachfolgenden Bänden des Briefkonvolutes geht es immer wieder darum, wie nun das abgebrochen Tigerschwanzende wieder an den Bronze-Tiger angefügt werden kann, da es schwierig ist Bronze zu löten. Schließlich fand sich ein Obermaschinistenmaat, der die Wunde am Schwanz heilen konnte. „Ich war überrascht, wie sauber die Lötung gemacht wurde”, schreibt Schulze als er den Tiger wieder wohlbehalten in den Händen hält.

Bis heute nicht wieder "geheilt" (Foto: BBWA)

Bis heute nicht wieder “geheilt” (Foto: BBWA)

In Brief Nummer 115 aus dem Band 14 teilt Schulze seiner Verlobten mit, dass der „grimme Räuber”, der ihm „durch die Heilung doppelt lieb geworden ist” seine Höhle nun im Wäscheschrank hat. „Ich streichele den Kerl und freue mich, dass ich ihn Dir doch noch überreichen darf” schreibt Schulze überglücklich im Gedanken an das Wiedersehen in Deutschland.

Wie es nun weitergeht, wissen die Senioren, die das Schicksal des Tigers bis dahin verfolgt haben nicht. Bekannt ist dem Wirtschaftsarchiv jedoch, dass der Bronze-Tiger sich bei der Cousine des Nachlassgebers Bernd Hoeckner befand und dort mit kaputtem Schwanz im Regal stand. Das abgebrochene Schwanzende lag jahrzehntelang daneben. Die Enkelin Schulzes kannte den Tiger nie mit „geheilter Wunde”.

15 Bände von den uns überlassenen 17 Bänden mit über 350 Briefen sind bereits entziffert und in eine digitale Form übertragen worden. Spannend ist nun zu erfahren, was dem Tiger noch zustößt. Alle hoffen, dies aus den letzten noch nicht transkribierten Briefen zu erfahren.

Immerhin ist das Happy End bekannt: Der Tiger steht seit hundert Jahren in Deutschland. Nur die Sache mit dem Schwanz ist nicht gut ausgegangen …

Geschrieben von Ch. Berghausen

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