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Horst Blohm (1929-2019)

In der Nacht zum 11. Februar verstarb Horst Blohm im Alter von 89 Jahren. Sechs Jahre lang gehörte er zu den fleißigen ehrenamtlichen Mitarbeitern des Archivs und stellte uns seine Kenntnisse alter Handschriften zur Verfügung: Er transkribierte historische, handschriftliche Dokumente, aber „bitte nur Sütterlin oder älter“, mit modernen Handschriften brauchte er sich nicht abzugeben. Über die Jahre wurde er zum Spezialisten für die schwierigen Fälle und konnte sich auch mal einen ganzen Tag in einen Brief verbeißen.

Die Mitarbeit begann mit einem Anruf am 24. April 2013: Das Wirtschaftsarchiv hatte gerade zusammen mit der Stiftung „Gute Tat“ nach ehrenamtlichen Helfern gesucht und sogar einen ganzseitigen Artikel in der Boulevardpresse bekommen: „Wer das lesen kann, ist unser Held“, war der Artikel überschrieben, abgebildet ein Brief an den Schiffsarzt Dr. Alfred Abenhausen, der 1900-1907 die Weltmeere befuhr. Daraufhin rief Horst Blohm an und stellte sein Können unter Beweis.

Horst Blohm 1929-2019 (BBWA)

Horst Blohm 1929-2019 (BBWA)

Horst Blohm wurde am 31. Juli 1929 in Berlin geboren – und zwar „in der Wohnung meiner Großmutter Martha Heiseler (mütterlicher Seite), in dem kleinen Zimmer hinter der Küche, um 22.30 Uhr“, wie er in seinem „Lebensbericht“ schreibt, den er dem Wirtschaftsarchiv überlassen hat (Der Lebensbericht von Horst Blohm. BBWA N13/1). Nach einer familiär schwierigen Kindheit begann er schon 1943 eine Lehre zum Schuhmacher, die durch den Krieg unterbrochen wurde. Im Februar 1945 wurde er in Jüterbog mit den anderen Mitgliedern seines HJ-Sturms kaserniert und sollte als Soldat in den Krieg geschickt werden, wozu es glücklicherweise nicht mehr kam. Nach kurzer Gefangenschaft bei Helmstedt endete für Horst Blohm der Krieg am 20. Juni 1945, und er fand auf abenteuerlichem Wege durch die sowjetisch besetzte Zone seinen Weg zurück nach Berlin. Hier leistete er zunächst Arbeit im Rahmen der „Aktion Jugend-Nothilfe“. 1947 schloss er seine Lehre als Schuhmachergeselle ab und schlug sich danach als Forstarbeiter, Kohlenschlepper und Abbruchhelfer durch. Ehe er 1954 in den Straßenbau ging. Hier arbeitete er sich bis zum Straßenbau-Werks-Polier hoch, sattelte 1982 aber aus gesundheitlichen Gründen zum Feinmechaniker um und ging am 1. August 1989 als Lagerverwalter einer Metallwarenfabrik in Rente.

Herr Blohm besuchte das Wirtschaftsarchiv in den ersten Jahren regelmäßig – bisweilen wöchentlich –, um Transkripte zurückzubringen und durchzusprechen oder neue Kopien und Digitalisate abzuholen. Dabei gewährte er den Kollegen auch stets Einblick in sein Leben – wie stolz er etwa auf seine Urenkel war, die selbst bereits erwachsen sind, welche schönen Reisen und Kreuzfahrten er mit seiner Frau unternommen hatte, die schon vor vielen Jahren gestorben ist, oder wie es dem Taubenpärchen ging, das vor seinem Balkon nistete und dessen Brutpflege er mit seiner Kamera aufgenommen hat. Es waren auch diese Einsichten in ein reiches, bis zum Schluss interessiertes Leben, das uns Herrn Blohm ans Herz wachsen ließ.

Dass er mit seinem Fleiß und seiner Akribie auch den schwersten Texten zu Leibe rückte und die Archivarbeit deshalb auf höchst willkommene Weise ergänzte, kommt hier noch hinzu. Zuletzt tüftelte er an den schwer zu lesenden „Gedanken über die Ursachen eines langsamen Unterrichts in Schulen“ des Predigers der Dreyfaltigkeitskirche und erster Inspector der Realschule Johann August Christoph von Einem aus dem Jahre 1767.

Wir sind traurig, dass Horst Blohm nun nicht mehr anruft, um nach neuem Material zu fragen, und drücken den Angehörigen unser Beileid aus.

Diesen Nachruf schließen wir mit Horst Blohms eigenen Worten:

„Und so lebten wir, vom Schicksal mal mehr, mal weniger begünstigt,
glücklich bis ans Ende unserer Tage!“

3 Kommentare

  1. Bianka Maria Klopsteg geb. Blohm sagt

    Bianka Maria Klopsteg geb. Blohm

    Für meinen Vater war es ein großes Glück, dass er diese Möglichkeit für so viele Jahre hatte, sich ganz intensiv einer Aufgabe – diese alten Briefe/Texte und Lebensberichte zu übersetzen – zu widmen.
    Wir haben oft über die verschiedenen Schicksale gesprochen, ich habe immer mal wieder neben ihm gesessen und war dabei, wenn er tüftelte, was das Wort wohl heißen mag, um es in den Computer zu tippen.
    Danke auch dafür, dass Sie ihm die Texte nach Hause gebracht haben, damit er weiterarbeiten konnte, es hat ihm sehr, sehr viel bedeutet.

  2. Marianne Gräfe geb.Blohm sagt

    Marianne Gräfe geb.Blohm 5.3.1951
    Auch ich möchte mich herzlich bedanken für die lieben Worte über meinen Vater DANKE
    Mein Vater hat mir viel über seine Tätigkeit bei ihnen erzählt und mir auch verschiede Briefe zugesendet damit ich es sehe an was er arbeitet denn auch kann die alte Schrift noch lesen aber nicht so hervorragend wie mein Vater. Ich habe die Deutsche Schrift noch in der Schule gelernt.
    Er war mit Herz und Seele dabei. Diese Tätigkeit hat in seinem Leben einen großen Stellenwert gehabt. Möchte nochmals DANKE sagen. Marianne

  3. Marcello Ferriero sagt

    Vielen Dank für diesen Eintrag, mein Uropa wäre euch sehr dankbar darüber.
    Ich bin es euch auch und bin stolz auf das was er geleistet hat und dass er mein Urgroßvater ist, der eigentlich mein ganzes Leben mein *Opa* war und mich immer unterstützt hat.
    Bei der nächsten Gelegenheit würde ich mich gern weiterhin in seine Briefe reinlesen und mich damit befassen.

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