Aktivitäten
Schreibe einen Kommentar

15. Industriekulturabend: Berlin-Tourismus im Spiegel der Reklame

Prof. Dr. Hasso Spode vom Historischen Archiv zum Tourismus (Willy-Scharnow-Archiv) der TU Berlin (ZTG und CMS) zeichnete anlässlich des Industriekulturabends  vom 3. Juni 2016 anhand von Werbeplakaten ein Berlin-Bild nach, das sich im Spiegel der Reklame von den 20ern Jahren bis zur Mauer offenbart.  

Reiseziel Berlin (Bild: HAT)

Reiseziel Berlin (Bild: HAT)

Der Vortrag begann im Jahr  1926 mit einem Werbeplakat, auf dem ein schnell fahrender Zug und die Worte „nach Berlin“ zu sehen sind – typisch für die sogenannten „Goldenen Zwanziger“, denn Hunderttausende  „Zugreiste“ zählt Berlin zu der Zeit.  Sie prägten das Geistes- und Wirtschaftsleben der Metropole. Zu ihnen gehörte Erich Kästner, der urteilte: „Berlin sei die interessanteste Großstadt der Welt“. Oberbürgermeister Berlins war Gustav Böß,  der in den Goldenen Zwanzigerjahren viele Reisende in die bedeutendste Metropolen Europas und der Welt holte, insbesondere mit der 1926 eingeführten „Grünen Woche“. Diese verband erstmals den damals stadtweit praktizierten Straßenverkauf landwirtschaftlicher Artikel mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung.

Von den Goldenen Zwanzigern bis zum Fall der Mauer

In den frühen Dreißigern wurde auf den Berlin-Plakaten die Stadt als eine Art New York vermarktet. Auf anderen wieder erschienen italienisch anmutende Darstellungen in der Berlin-Werbung. Augenscheinlich  ist das konsequente Stadtmarketing, das Weltoffenheit vermarktet. Reisende und Zureisende sind willkommen. Zum Heute gibt es durchaus historische Parallelen: Auch heute speist sich die »kreative Klasse« Berlins primär aus der Zuwanderung .  Doch es gibt einen erfreulichen Unterschied: Heute ist das antimodern-neidvolle Ressentiment der „Provinz“ gegen die Hauptstadt (wie es aktuell noch etwa Paris entgegenschlägt) ist weitgehend verstummt.

Metropole Berlin (Bild: Spode/HAT)

Metropole Berlin (Bild: Spode/HAT)

Damals jedoch schlug der Hauptstadt  aus der „Provinz“, insbesondere aus dem Süden Deutschlands   Neid und Missgunst entgegen. Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen, begannen sie dem entgegen zu wirken. So zeigte eine Abbildung  vom  30. Januar 1933 die SA, wie sie durch das Brandenburger Tor marschierte. Das  Foto trägt den  Titel „Sieg der Provinz über die Metropole“. Weiter führte der Vortrag mit Beispielen aus der Zeit des Nationalsozialismus, in die auch die Olympischen Spiele von 1936 fallen. Coca-Cola war als Hauptsponsor der Spiele mit im Boot. Die Stadt zeigte sich (noch) liberal und weltoffen und der Tourismus nahm zu.

Ein Jahr später feierte Berlin sein 700jähriges Bestehen für das ein heimattümlich bebildertes Plakat   entworfen und vermarktet wurde. Das Ferienerlebnis „die Stadt anzuschauen“ wurde hierbei in den Vordergrund gerückt. Tatsächlich zählte die Stadt 1938 fast 5 Millionen Übernachtungen, davon eine Million  Ausländer. 1943, das Jahr in dem die 6. Armee in Stalingrad kapitulierte und Goebbels seine Sportpalastrede hielt, präsentiert Berlin ein Blumenmädchen, das wohl Normalität liefern sollte.

Berlin ruft! (Bild: HAT)

Berlin ruft! (Bild: HAT)

Die Reklame der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg transportiert Botschaften zum Vier-Mächte-Status  der Stadt, zu Berlin als Frontstadt und als Zentrum des Kalten Krieges. Die Plakate tragen Aufrufe wie „Berlin lebt“ und Berlin ruft“.  Es folgen die 68er Jahre, die sich swingend oder psychedelisch  und dann auch wieder nostalgisch mit Leierkastenmann präsentieren.

In diesen Jahren rücken Ostberliner  Plakate mit Motiven zu den Jugendweltfestspielen 1971 und Ansichten des Alexanderplatzes in die Öffentlichkeit. Auch taucht der Berliner Bär auf den Plakaten der Ostberliner Tourismus-Werbung auf:  als Latzhosenbär mit gemauerter Krone, die an die Berliner Mauer erinnert. Im Westteil der Stadt war es verpönt, mit dem Berliner Bären zu werben. Im ostteil hingegen war er sehr willkommen, da der Russische Bär – neben Mütterchen Russland – die nationale Personifikation Russlands war und besonders oft während des Kalten Krieges verwendet wurde.

In den 80er Jahren profitiert Berlin von der Entspannungspolitik mit dem Werbe-Slogan „Berlin tut gut“.

Text: Chr. Berghausen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert